3 Wochen durch das Hochgebirge der Khumbu-Region im Himalaya
Im ersten Teil habe ich die Ankunft in den Bergen und die ersten zwei Tage bis nach Namche Bazaar beschrieben, wo wir zwei Nächte blieben. Von hier aus muss man sich entscheiden in welche Richtung man die Three Passes Route machen möchte: mit oder entgegen dem Uhrzeigersinn. Die meisten scheinen, wie wir auch, von Namche aus rechts abzubiegen und den Kreis entgegen dem Uhrzeigersinn zu erwandern. Hier geht auch die Hauptroute zum Everest Base Camp lang.
Ein erster Blick auf den höchsten Berg der Welt: Namche Bazaar – Pangboche
Um uns zu akklimatisieren, blieben wir zwei Nächte im 3.440 m hoch gelegenen Namche Bazaar, wo man tatsächlich noch alles kaufen kann, was man möglicherweise zum Wandern benötigt (nur vielleicht nicht das Ersatzteil für meinen Filter…). Wir hätten also unsere Wanderstöcke ersetzen können, aber da ich es mochte nur einen Stock zu haben, beließ ich es einfach dabei. Mark war eh meistens ganz ohne ‚Gehhilfen‘ unterwegs, wenn man von seiner Kniebandage absah.
Wir nutzten unseren „freien“ Tag, um in die umliegenden Dörfer zu spazieren, die in dieser Region viele der Sherpa-Familien beherbergen. Weiter oben im Tal sind die Dörfer oft nicht durchgängig bewohnt, doch hier befinden sich die Gemeinschaften, Schulen und das Krankenhaus. Durch das Geld von Bergsteigern wie Edmund Hillary, kam viel Geld in die Khumbu-Region und die Gebäude sehen oft modern und neu aus. Die Infrastruktur, soweit man davon reden kann in einer Region, in der es keine Straßen für Autos, keine Fahrräder, Busse oder Züge gibt, ist gut ausgebaut.
Wir wanderten zunächst recht steil aus dem Kessel hinaus, an dessen Berghängen die Stadt liegt, und kamen dann auf einer Hochebene auf etwa 3.800 – 3.900 m an. Menschenleer folgten wir den Pfaden und genossen die Natur. Es war warm, Insekten summten, Vögel zwitscherten. Ich war in einem Gespräch mit Mark und schaute gar nicht viel nach rechts oder links, als er mich plötzlich antippte und fragte, ob ich denn den ersten Blick auf Ama Dablam noch nicht gesehen hätte. Ich blieb stehen und war die ersten Sekunden sprachlos. Im Hintergrund vor einem blassblauen Himmel lagen einige schneebedeckte Berge und die typische Spitze der 6.814 m hohen Ama Dablam ragte daraus hervor wie ein natürliches Luftschloss. Was für ein Anblick! Sie ist einer der schönsten Berge, die ich in meinem Leben je gesehen habe und wir hatten von hier den perfekten Sichtwinkel – das Matterhorn Nepals.
Ama Dablam würde uns den ganzen Tag begleiten, während wir durch die sauberen, gut strukturierten Dörfer Khunde und Khumjung spazierten. Wir liefen zu einem kleinen, bunten Kloster an einem Berghang und kamen an vielen Stupas, Gebetsfahnen und Mani-Steinen vorbei. Es war nicht viel los, der Frühling nahm gerade Einzug und die Felder wurden für die Regenzeit im Sommer vorbereitet. Die Menschen hier sind besonders stolz auf ihre Kartoffeln, die die besten in ganz Nepal sein sollen.
Nach einer kleinen Teepause machten wir uns auf den Rückweg an einem Aussichtspunkt vorbei, von dem man den ersten Blick auf den Mount Everest werfen kann, wenn man gute Sicht hat. Wie es in den hohen Bergen üblich war, hatten sich die Gipfel jedoch schon mit Kondenswasserwolken zugezogen, was meistens so gegen Mittag passiert. Somit musste der erste Blick noch auf sich warten lassen.
Wir machten dafür Halt bei einem Recycling-Künstler-Zentrum, wo wir einen informativen Film schauten, Kunstwerke aus Müll bestaunten und noch mal einiges über die Region und auch die Veränderungen der Natur durch die Touristen und Bergsteiger erfuhren. Mittlerweile wird hier viel Müll nach unten transportiert und man kann als Wanderer selbst einen Beitrag leisten, indem man auf dem Rückweg von Namche nach Lukla 1 kg Müll nach unten trägt. Ein spannender kleiner Ausflug.
Zurück nach Namche ging es über steile Treppen aus unregelmäßigen Felsstufen und über Schotterwege, beides nicht wahnsinnig schön für unsere Knie. Dafür gönnte ich mir nachmittags eine Dusche mit Haare waschen und freute mich, dass ich heute keine Höhenkopfschmerzen mehr hatte. Ich fühlte mich super.
Ohne Hunger startete ich in den nächsten Tag und hoffte, dass es kein frühes Anzeichen eines verdorbenen Magens oder so sei. Ich fühlte mich müde, wie weggeblasen war das gestrige gute Gefühl. Heute würden wir 15 km nach Pangboche laufen, wieder mit unseren großen Rucksäcken auf den Schultern. Immerhin fing der Weg entspannt an und wand sich in etwa gleichbleibender Höhe an der Talflanke entlang, weit über dem Fluss unter uns. Wir sahen nun auch das erste Mal in der Ferne noch hinter einer anderen Gipfelkette den Mount Everest, rechts daneben den Schwesterberg: Lhotse (mit 8.516 m der vierthöchste Berg der Welt).
Wir folgten dem Tipp eines Sherpa, der uns empfohlen hatte, den Hauptweg zu verlassen und durch einen schattigen Pinienwald aufzusteigen und obwohl der Weg steiler losging, war er sehr viel schöner. Nur einige Nepalis kamen uns entgegen und wir freuten uns den Massen auf dem Hauptweg für einige Zeit zu entgehen. Ich fühlte das Gewicht meines Rucksacks sehr und konnte erst spät mein zweites Chapati (dünnes Brot) vom Frühstück essen, mein Hunger war bisher nicht wiedergekommen. Mark sah mir wohl an, dass ich am Kämpfen war, denn er bot an meinen etwas schwereren Rucksack zu tragen, aber das ließ mein Stolz nicht zu. Also biss ich die Zähne zusammen und machte mich auf den letzten Anstieg hoch nach Tengboche – nun wieder auf dem Hauptpfad angekommen. Erst später merkte ich, dass wir immer noch schneller gingen als viele andere Wanderer, ich hätte also vielleicht einfach etwas langsamer gehen sollen und schon hätte ich mich besser und fitter gefühlt.
Die meisten Wanderer verbringen die nächste Nacht hier in Tengboche etwa 3.800 m Höhe, wir aber hatten beschlossen noch etwas weiter zu wandern und so machten wir hier eine kleine Mittagspause. Ein dekadentes Stück Schokotorte gab mir genug Zucker, um es noch ein paar Kilometer weiter zu schaffen. Das Wetter war schön und die Aussichten auf die Berge waren super. In Tengboche befindet sich ein kleines buddhistisches Kloster, das größte in der Khumbu-Region – es ist einen Besuch wert, wenn man hier die Nacht verbringt.
Nach fast 1000 Höhenmetern Gesamtanstieg kamen wir ziemlich fertig im 3.930 m hoch gelegenen Pangboche an, wo wir wieder zwei Nächte verbringen würden. Ich schlief erstmal nachmittags, nachdem ich mir ein Snickers gegönnt hatte, und kuschelte mich das erste Mal richtig in meinen Schlafsack. Es war kälter hier oben.
Der schönste Berg: Pangboche – Ama Dablam BC – Dingboche
Nach einer grässlichen Nacht, in der ich kaum schlief, viel Musik hörte und mir ständig meine verspannten Schultern massierte, brachen wir entspannt zu unserem Tagesausflug auf, auf den ich mich schon gefreut hatte. Wir wanderten die 5 einsamen Kilometer hoch zum Ama Dablam Base Camp auf etwa 4.600 m Höhe. Ein schmaler Bach im Schatten zeigte noch eine kleine Eisschicht auf dem Wasser, aber der Sonnenschein erwärmte die kalte Morgenluft schnell. Es ging durch Hochebenen, die von kurzen Gräsern bedeckt waren, teilweise führte der Weg durch feinsten Sand. Eine ganz andere Welt als die, die wir noch am Tag zuvor gesehen hatten. Ich stieg langsam im Rhythmus meines Atems auf und mit dem leichten Tagesrucksack, der aus meiner Schlafsackhülle bestand, kamen wir flott voran, ohne uns zu stark zu verausgaben. Mark hatte leichte Kopfschmerzen und so bestand der Aufstieg aus wenigen Worten und gelegentlichen Trinkpausen, die ich nutzte, um die Berge um mich herum zu bewundern.
Die Spitze des Everest versteckte sich wieder hinter anderen Bergen, aber Ama Dablam kam immer näher und plötzlich standen wir auf einem weiten, flachen Feld, auf dem ein paar wenige gelbe Zelte standen. Wir waren im Base Camp angekommen. Die Bergsteiger schienen alle ausgeflogen zu sein, aber ein Sherpa / Koch kam aus einem der größeren Zelte und redete bereitwillig mit uns. Von ihm erfuhren wir, dass in dieser Frühjahrssaison nur 2 Teams den Aufstieg versuchen wollten, dass sich aber für die Hauptzeit im Herbst über 30 Expeditionsgruppen angekündigt hatten. Wow. Das muss hier dann ja zugehen wie in einem kleinen Dorf.
Der Mann erzählte uns auch von einem Unglück, das sich vor wenigen Tagen auf dem Pass, den wir in einigen Tagen überschreiten wollten, zugespielt hatte. Ein Japaner war bei schlechter Sicht allein losgelaufen, hatte sich verirrt, den Weg nicht wiedergefunden, sich als es dunkel wurde in seinen Schlafsack gelegt und war ein oder zwei Tage später erfroren von Suchtrupps gefunden worden. Ein weiterer Hinweis auf die Gefahr der Berge, den wir sehr ernst nahmen, da wir auch ohne Guide unterwegs waren.
Auf dem Rückweg merkte ich dann, dass mir mein rechter Knöchel immer stärker weh tat. Ein leichtes Ziehen, das ich schon seit dem Akklimatisierungstag in Namche hatte, verstärkte sich nun zu einem kaum auszuhaltenden Schmerz. Ich versuchte den Schuh anders zu schnüren, aber es half alles nichts, ich humpelte unter Schmerzen zurück nach Pangboche und hoffte, dass am nächsten Tag wieder alles gut sein würde.
Ich schlief so gut wie lange nicht mehr und freute mich eigentlich auf den neuen Wandertag… bis ich in meine Wanderstiefel schlüpfen wollte. Ein reißender Schmerz fuhr mir in den Knöchel und es war klar, dass ich heute so nicht würde laufen können. Da es allerdings nur recht entspannte 6 Kilometer zum nächsten Dorf Dingboche waren, beschloss ich es wie die Nepalis zu machen: in Badelatschen. Die einzigen anderen „Schuhe“, die ich dabei hatte. Und es ging erstaunlich gut. Meine Füße waren schön durchlüftet und wer braucht schon Halt für die Knöchel – einfach nicht umknicken.
Die Wege waren gut besucht, viele Gruppen kamen uns entgegen und obwohl ich nichts gegen Gruppen habe, verhalten deren Mitglieder sich oft so ahnungslos oder unachtsam, dass ich einzelnen Mitgliedern in Gedanken einen bösen Fluch hinterherjage (dies ist die gesellschaftlich akzeptierte Version für den Blog). Auf einem Weg, der auf der einen Seite eine steile Abbruchkante hat und nur breit genug ist für zwei Menschen, muss man halt nicht in zwei Reihen gehen und dabei nach hinten schauen. Gruppen verstopfen die Wege und oft machten sie auch nicht richtig Platz, um zum Beispiel Porter vorbei zu lassen, was – finde ich – so ziemlich das unhöflichste ist, das man auf diesen Bergpfaden machen kann. So, genug über andere Menschen aufgeregt, wir kamen trotz Hindernisse gut im 4.350 m hoch gelegenen Dingboche an, kauften ein Paar schlechter Sneaker ohne Profil für mich und chillten dann in einer French Bakery, wo ein Film über ‚Helikopterrettung im Himalaya‘ gezeigt wurde. So entspannt kann ein Tag in den Bergen immer zu Ende gehen.
Hinauf und Hinab: Dingboche – Chukhung – Dingboche
Es waren wiederum nur entspannte 6 km bis hoch nach Chukhung – da es eine Faustregel für die Akklimatisierung gibt, nach der man nur etwa 300 Höhenmeter pro Tag aufsteigen soll (zwischen den Übernachtungsorten), wurden die Wege eben kürzer. Wir hatten dies von Namche nach Pangboche aus verschiedenen Gründen nicht ganz eingehalten, aber je höher man kommt, desto riskanter wird es eben auch. Ich hatte in Chamonix ein Seminar über Höhe und Höhenkrankheit besucht, das von einer Ärztin geleitet wurde, und wusste auch durch meine vorherigen Erfahrungen in den Bergen auf welche Symptome ich achten musste.
Wir gingen langsam, kamen aber gut voran. Zumindest, bis ich plötzlich immer schlapper wurde. Ich machte viele Pausen und versuchte viel zu trinken, da ich befürchtete mit der Höhe nicht gut klarzukommen, auch wenn ich mich eigentlich gut gefühlt hatte. In der trockenen, kalten Luft tat mir mein Hals weh und meine Nase wurde immer schlimmer und langsam musste ich mir die Frage stellen, ob ich mich nicht bei dem australischen Mädchen, mit dem wir die letzten Nächte viel zusammengesessen hatten, angesteckt hatte. Sie war ordentlich am Schniefen gewesen und hatte beschlossen ihre Wanderung zum Everest Base Camp in Pangboche abzubrechen.
Mark und ich arbeiteten uns langsam das Tal hinauf, weg vom Hauptweg zum Everest Base Camp. Die Berge kamen näher und die Ausblicke waren fantastisch – ich blickte jedoch kaum von meinen Füßen hoch. Mark beschloss irgendwann meinen Rucksack zusätzlich zu seinem zu tragen, so dass ich nur noch mich selbst die letzten 2 km hochschleppen musste und trotzdem war er schneller. Wir gingen dann direkt zum ersten der drei Gasthäuser, aus denen das Dorf Chukhung (4.700 m) besteht und ich saß lethargisch in der Sonne herum, während Mark uns ein Zimmer organisierte und eine Thermoskanne Hot Lemon vorbeibrachte.
Ich verbrachte den Rest des Nachmittags im Bett, wo ich irgendwann Fieber bekam. Ich bekam langsam Angst um mich, denn ich bekomme nie Fieber und hier oben gibt es keine Ärzte. Eine Paracetamol brachte das Fieber jedoch wieder runter und ich hatte abends immerhin ein wenig Appetit. Wir liehen uns kurz ein Blutsauerstoffmessgerät aus und ich war schockiert, dass mein Wert bei 69% lag. Eigentlich hätte er mindestens über 75% liegen müssen. Ich hatte auch Kopfschmerzen, aber zumindest nichts Schlimmeres, also würde ich die Nacht schon irgendwie überstehen.
Es war wunderschön, aber auch eisig hier oben und ich hatte mich offensichtlich erkältet – keine Chance in der Höhe gesund zu werden. Also traf ich die harte Entscheidung wieder hinabzusteigen. Mark machte noch einen Tagesausflug zum wunderschönen Island Peak Base Camp und kam dann nachmittags hinterher zu mir nach Dingboche zurück, wo ich in der French Bakery chillte. Hier würden wir auch die nächsten 2 Tage und 3 Nächte verbringen, um mir die Zeit zu geben mich etwas zu erholen. Das Wetter war eh etwas durchwachsen, weswegen wir vielleicht eh nicht über den Pass hätten steigen können.
Am ersten Tag in Dingboche machten wir nur einen kleinen Spaziergang. Am Abend schneite es leicht und am zweiten Tag testeten wir meine Stärke, indem wir auf den Nangkartshang hinaufstiegen, ein Aussichtspunkt auf etwas über 5.000 m Höhe über das gesamte Tal mit Ama Dablam vor der Nase. Ich ließ es langsam angehen und war vorsichtig mit meiner Geschwindigkeit. Ich achtete auf meine Atemfrequenz und fand einen guten Rhythmus. Ich konnte auch die immer schöner werdenden Aussichten genießen und suchte nach immer neuen Fotomotiven – ein deutliches Zeichen, dass es mir besser ging. Definitiv besser als einem der Mädels, die wir überholten. Sie erbrach sich mehrmals, war aber mit einem Guide unterwegs, so dass wir nicht anhielten.
Da wir relativ spät losgegangen waren, waren vor uns viele Menschen, von denen wir trotz unseres langsamen Trotts noch einige überholten. Nicht alle gingen bis zu dem Gipfel hinauf, so dass es dort oben auch nicht sehr voll war. Auf 5.071 m war es felsig und man musste ein wenig Kraxeln, um dorthin zu kommen. Es ging an den Seiten steil hinab, aber ermöglichte dadurch auch tolle 360°-Sichten. Ein schöner Ausflug.
Wow, ich war froh es geschafft zu haben und den nächsten Tagen nun hoffentlich gewachsen zu sein. Erst auf dem Weg zurück nach Dingboche merkte ich wieviel Strecke wir hoch eigentlich gemacht hatten und konnte dem joggenden Mark nicht immer so schnell folgen, da meine Sneaker absolut kein Profil hatten und ich schnell wegrutschte auf den losen Steinen. Ich war froh ohne allzu schlimmen Sturz unten wieder angekommen zu sein…