Wanderung zu La Jonction

Hinauf zwischen 2 Gletscherzungen im Chamonix-Tal

Es ist zwei Jahre her, dass ich diese Wanderung das letzte Mal gemacht hatte, aber ich habe wundervolle Erinnerungen daran und so wollte ich diesen Weg noch einmal gehen: Knapp 14 km mit über 1.200 Höhenmetern führen zu einem Punkt auf über 2.500 m Höhe, der an einer Schnittstelle zwischen zwei Gletschern liegt.


Mitte Juni 2022 wurde es langsam ziemlich warm in den Bergen und der meiste Schnee war von den Wegen geschmolzen, so dass nun auch die Wanderungen in höhere Gebiete mehr Spaß machten. Wir konnten unsere Mini-Steigeisen endlich Zuhause lassen und freuten uns sogar der warmen Luft im Tal zu entkommen und die klare, kühle Luft der vergletscherten Bergen spüren zu können.

Kurz vor dem Mittag ging es los und da wir eh ganzjährige Liftkarten besaßen, nahmen wir den winzigen Sessellift in Les Bossons, der einem etwa 400 Höhenmeter schenkt. So landeten wir direkt im schattigen Wald, wo es nun erst einmal eine ganze Weile in immer gleichen Serpentinen auf trockenem, aber weichem Waldboden hinaufging. Durch die Bäume blieb einem der Blick hinunter verborgen und wir mussten noch auf die Aussichten warten.

Der Weg führt die ganze Zeit auf einer großen Landzunge hinauf, die wie eine Insel zwischen zwei Gletschern liegt, die jedoch in den letzten Jahren immer weiter abgeschmolzen sind. Die Pflanzen erobern langsam die Ränder der glattgeschliffenen Felsrinne zurück, auch wenn diese noch zum großen Teil vollkommen offen in der Bergflanke ruht.

Als sich der erste Blick auf den Bossons-Gletscher ergab, da wir nun den linken Rand der Landzunge erreicht hatten, blieben wir natürlich kurz stehen und genossen die Aussicht auf das Tal und das blau-grau schimmernde Eis. Hier im unteren Teil ist jeglicher Schnee weggeschmolzen und lässt nur das blanke Eis und die darauf liegende Schicht aus Geröll und Felsen zurück. Faltig geht hier eine lange Reise zu Ende, denn der Anfang des Gletschers liegt an der Nordflanke des Mont Blanc, über 3000 Meter über uns.

Auf halbem Weg nach oben…

Die Bäume werden nun spärlicher und geben ihren Platz an kleinere Büsche und viele Blumen ab, die momentan blühen. Je höher wir kommen, desto mehr sehen wir von einer verwandten Art des Rhododendrons, der sich von Italien kommend, auch hier ausbreitet. Rosafarbene Blüten leuchten im satten Grün dieser kleinen Büsche. Auch das Gras zeigt sich frühsommerlich in frischer Farbe – ein schöner Kontrast zu dem erdigen Braun des Pfades und den Schneefeldern weiter vor uns.

An einer Stelle müssen nun ein paar Treppenstufen und schmalere Wegstellen überwunden werden, auf denen ein paar Touristen etwas Schwierigkeiten hatten. Sie waren vermutlich nur zu einem Aussichtspunkt und kleinen Café unterwegs, an dem wir jedoch nicht anhielten. Denn nun ging es weiter hinauf und dabei auf die rechte Seite der Landzunge, so dass wir nun die andere Gletscherzunge vor uns sahen – diese kommt vom Taconnaz-Gletscher, der sich ebenfalls in über 4000 Meter Höhe bildet.

Der Pfad war einfach zu finden und ging hier etwas weniger steil durch die noch grüne Vegetation. Es wurde jedoch felsiger. Das letzte Viertel war dann quasi auf blankem Felsen oder gerölligem Gestein und recht steil. An einigen Stellen müssen die Hände zu Hilfe genommen werden, da es keinen guten Weg mehr gibt. Das macht mir immer am meisten Spaß. Auf dieser Wanderung war die ungefähre Richtung des Weges durch gelbe Punkte auf den Felsen angegeben, so dass man immer wusste, wo es in etwa weitergehen würde.

Dunklere Steine ersetzten die helleren und bald kamen wir am höchsten Punkt der Landzunge an: dem Punkt auf 2589 m, den man „La Jonction“ nennt. Das Zusammentreffen zweier Gletscherzungen, die sich hier teilen und auf beiden Seiten dieses riesigen Felsens ins Tal fließen. Es war erstaunlich warm hier oben und im Vergleich zu der Wanderung von vor zwei Jahren lag das Eis deutlich tiefer, obwohl ich damals später im Jahr dort gewesen bin. Damals war ich sogar ein paar Meter auf das Eis hinaufgegangen und hatte die Höhle unter dem Rand des Gletschers untersucht, diesmal sah es viel zu unsicher aus. Keine Spuren im Schnee sind immer ein schlechtes Zeichen.

Wir genossen also unser Picknick und bemühten uns unsere Haut vor der Sonneneinstrahlung zu schützen. Ein Paar neben uns hatte sich wohl gar nicht eingecremt und zeigte krebsrote Schultern, die nun etwas zu spät abgedeckt wurden.

Aber was für ein Anblick! Durch die abgeschmolzene obere Schneeschicht konnten wir die raue Oberfläche des Gletschereises sehen, das sich wie eine stürmische See auftürmt – eingefroren im Augenblick. Über uns ragten die höchsten Berge der Alpen in den blauen Sommerhimmel empor und ein paar wenige weiße Wolken verfingen sich an diesen Gipfeln.

Nach unserer Pause gingen wir noch einmal auf den Felsen umher, denn es gibt verschiedene wunderbare Aussichtspunkte, und dann ging es an den langen Weg nach unten. Wir begegneten noch einmal einem jungen Mann, den wir auf dem Hinweg überholt hatten und der tatsächlich so verrückt gewesen war sein Mountainbike zumindest zum größten Teil hier hinaufzuschleppen. Die letzte Strecke mit den Kletterstellen hatte er dann allein zu Fuß gemacht, um zumindest vor der Abfahrt noch den Ausblick zu genießen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Steigung und Felsen den größten Spaß bringen beim Herunterfahren, allerdings ist es vielleicht genau diese Herausforderung, die er haben wollte. Zumindest trafen wir uns nicht wieder – er holte uns also nicht mehr ein, bis wir am Lift ankamen.

Die letzte Strecke durch den Wald zog sich wieder sehr lang hin, wobei ich mir immer erst auf dem Rückweg bewusst werde, wieviel ich doch tatsächlich hoch gelaufen war. Nach knapp 5 Stunden (und knapp 4 Stunden Bewegungszeit) kamen wir nach nicht ganz 14 km und 1.250 Höhenmetern wieder unten an. Ohne Lift wäre da natürlich noch einiges dazu gekommen.

Die La Jonction Wanderung ist für mich wahrscheinlich die schönste Tageswanderung, die man aus dem Chamonix-Tal (Vallée l´Arve) heraus machen kann. Diese Eiswelt der Gletscher so nah zu sehen ist absolut einmalig.

Mareike

32 Jahre, aus der Nähe von Bremen.

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