Über 30 km um das Steinhuder Meer

Wanderung um Niedersachsens größten See

Als zweites Ziel meiner Challenge die 10 größten Seen Niedersachsens zu umwandern, hatte ich mir den größten See ausgesucht, der in der Nähe von Hannover liegt. Er ist außerdem der neuntgrößte See Deutschlands und somit plante ich mit schmerzenden Füßen für den vor mir liegenden Tag.


Ich fuhr mit dem Zug von Bremen nach Neustadt am Rübenberge, wo ich auf mein mitgenommenes Fahrrad umstieg und die letzten 7 km bis zum See fuhr. Man konnte sich kaum verfahren, denn es ging schnurgerade aus dem Dorf heraus und direkt hinein in einen kleinen Wald, der langsam einem alten Moorgebiet Platz machte. Hier war früher Torf in großen Mengen abgebaut worden und dass der Boden nicht vollkommen fest war, merkte man auch am Weg, der teilweise in Wellen verlief, da Stellen abgesackt waren.

Nach etwa 25 Minuten kam ich an einem kleinen Wald an, wo ich mein Fahrrad neben einer Infotafel direkt am Weg, der um den See führen würde, parken konnte. Ein kleines Stück weiter wären auch Parkplätze gewesen und ein Bus fuhr auch auf dieser Strecke.

Da es durch die ganze Fahrerei schon recht spät war, startete ich direkt mit flottem Schritt auf meine Wanderung. Da es entgegen dem Uhrzeigersinn etwas weiter zur anderen Seite des Sees und der größten Siedlung und Namensgeber des Sees, Steinhude, sein würde, beschloss ich in diese Richtung loszuwandern. Meine Motivation würde es mir hoffentlich danken, wenn ich dort erstmal angekommen wäre.

Es ging auf schönen Waldwegen los ohne Sicht auf den See. Auch den grauen Himmel sah ich kaum, doch es dauerte nicht lange bis ich den Parkplatz erreichte und einen kleinen Abstecher zu einem Aussichtsturm am Wasser machte. Da meine Füße noch nicht schmerzten und ich gerne einen gründlichen Blick auf den See erhaschen wollte, machte ich die extra Meter über den Holzsteg.

Das Steinhuder Meer unter einem stürmigen norddeutschen Winterhimmel..

Neben und unter mir schwappte das Wasser, der doch recht kräftige Wind drängte mir die Wellen entgegen. Baumstämme standen im dunklen Wasser und ich fragte mich, ob das normal war, denn hier wiesen einige Tafeln darauf hin, dass das Moor renaturiert wurde. Es ging auch an anderen Stellen noch über Holzwege weiter durch das flache Wasser zwischen den eng stehenden Bäumen. Das Steinhuder Meer ist zwar groß, aber sehr flach mit seiner tiefsten Stelle von nicht einmal 3 m. Einige Minuten später drückte der Wind das Wasser dann auf einem Uferweg hoch auf den Pfad und ich tippte daraufhin dass es sich heute zumindest teilweise um Hochwasser handelte.

Als ich an der ‚Alten Moorhütte‘ – einer Gaststätte am See – vorbei kam, fiel mir auf, dass hier alles für Radfahrer optimiert war. Es gab überall kleine Fahrradparkplätze und Wegweiser für den Radweg. Auch der Fußweg um den See war ausgeschildert, denn manchmal unterschieden sich die Wege auf engen Passagen, aber hauptsächlich waren hier wohl Radfahrer unterwegs. Ich kam nämlich schon kurze Zeit später heraus aus dem kleinen Wald, verließ den schönen Pfad und landete auf einer wunderbar geteerten Straße. Perfekt fürs Radfahren, eher weniger schön für mich. Diese Radschnellstraße führte mich zu einem hübschen Strand, der in mehrere Teile unterteilt war: zunächst kam ich am Surfstrand Mardorf vorbei, dann am Badestrand Weiße Düne. Es gab Spielplätze, Toiletten und Kiosk – natürlich alles menschenleer und geschlossen an diesem trüben Februartag.

Die Ausläufer von Mardorf warteten mit Cafés und weiteren Spielplätzen und unendlich vielen Bänken auf mich, jedoch ließ ich mich nicht verlocken auf dieses Angebot einzugehen, denn ich hatte noch so viel Strecke vor mir. Also hieß es weiter ausschreiten und meinem Ziel mit jedem Schritt näher kommen. Ich aß im Gehen ein süßes Gebäckstück, das ich mir frisch vom Bäcker mitgebracht hatte und ging durch die Wohnstraßen, an denen auch viele Ferienhäuser lagen, wieder raus aus dem Dorf.

Ich würde den See nun für eine lange Zeit verlassen und links neben mir liegen lassen, denn es ging hinein in Marschwiesen, die an diesem Tag großflächig überflutet waren: Ein Vogelparadies, das sogar heute mehrere hundert Gänse beherbergte. Auch ein paar wunderschöne weiße Schwäne glitten elegant über das mal leicht gekräuselte, mal spiegelglatte Wasser. Teile des Sees und der Umgebung gehören zu verschiedenen Naturschutzgebieten, von denen eins auch ein EU-Vogelschutzgebiet ist. Man hatte Beobachtungsplattformen gebaut, die ich jedoch an diesem Tag nicht nutzte.

Ich kam langsam an die 10-Kilometer-Marke heran und merkte dies auch an meinen Füßen, denn ich hatte ihnen noch keine Pause gegönnt. Doch hier gab es nun keine schönen Bänke mehr und der Wind pfiff mir auch ungebremst kühl ins Gesicht, so dass ich erstmal beschloss weiter zu gehen. Wäre ich mit dem Rad unterwegs gewesen, hätte ich hier vielleicht einen kleinen Abstecher in das Dorf Winzlar machen können, aber so folgte ich immer dem kürzesten Weg in Richtung Steinhude.

Das war tatsächlich leichter gesagt als getan, denn plötzlich stand ich auf einem Schotterweg, der aus den Wiesen herausführte und von einer Seite zur anderen mit großen Pfützen bedeckt war. Kein Durchkommen links oder rechts, denn Stacheldrahtzäune begrenzten den Weg auf beiden Seiten. Die Pfützen waren zu groß zum Überspringen und zu tief für meine wasseranfälligen Laufschuhe. Was nun? Der Umweg wäre lang und bei ohnehin schon regulären 30 km, wollte ich keinen einzigen Meter extra gehen. Also zog ich kurzerhand meine Schuhe und Socken aus und watete durch das eiskalte und dreckige Wasser auf die andere Seite. Die Kälte fuhr mir in die Knochen, aber die unregelmäßigen Steine unter meinen Sohlen fühlten sich tatsächlich angenehm an. Nachdem ich meine Schuhe wieder angezogen hatte, waren meine Füße wunderbar erfrischt und kribbelten warm. Vielleicht ist ja was dran an diesem Kneippen. 😉

Weiter ging es durch die Wiesen, die langsam landwirtschaftlicher wurden. Ich landete kurz darauf jedoch trotzdem in einer Sackgasse und musste umdrehen, denn dieses Mal konnte ich nicht einmal das Ende des überfluteten Weges sehen. Das wollte ich dann doch nicht riskieren. Ich musste also von der offiziellen Seeumrundung abbiegen und lief nun auf einem ländlichen Nutzweg mitten durch einen Bauernhof geradewegs auf das nächste Dorf zu: Hagenburg.

Hier wollte ich irgendwo meine Pause machen und so bog ich vor der Dorfmitte nach links ab in einen kleinen Park. Durch eine Allee aus Rhododendren kam ich zu einem Schloss, das direkt am Kanal lag, der mich zurück zum See führen würde. Ein paar Brücken überquerten diesen kleinen Fluss und eine Radfahrerin machte mich auf ein paar Rehe direkt vor uns aufmerksam. Wie nett von ihr!

Mit dieser glücklichen Begegnung im Herzen, setzte ich mich direkt auf die nächste Holzliege am Wasser und holte meine heiße Schokolade heraus, die ich morgens noch zubereitet hatte. Ein Hoch auf Thermosflaschen. Ich genoss die Stille, die Natur und die kleine Auszeit, denn ich wusste, gleich würde ich wieder weitergehen müssen und ich hatte schon vor einer halben Stunde von meinen Laufschuhen zu meinen Barfußschuhen gewechselt, damit meine Füße ein wenig Abwechslung bekommen. Trotzdem taten sie weh.

Eine junge Frau kam telefonierend an mir vorbei und einige Minuten später wieder zurück. Ich dachte mir nichts dabei, bis ich wieder unterwegs war und nach der ersten Kurve sah, was sie dazu veranlasst hatte wieder umzukehren. Der Weg war mal wieder überflutet. Also Schuhe und Socken aus und wieder rein ins kühle Nass. Das passierte mir hier in Hagenburg noch ein weiteres Mal, doch dann hatte ich es geschafft. Dreimal ist ja bekanntlich Bremer Recht, das passte also. Wenn ich von diesen unfreiwilligen Fußbädern nicht mindestens 3 Jahre Lebenszeit dazu gewinne, weiß ich auch nicht.

Über den Lüerßendamm kam ich nun endlich wieder an das Ufer des Steinhuder Meers und betrachtete die Aussicht von dieser Seite des Sees. Ganz in der Ferne auf der mir gegenüberliegenden Seite konnte ich gerade noch so die Strände erkennen, an denen ich vor Ewigkeiten vorbeigelaufen war. Unter alten Bäumen lief ich nun geradewegs auf Steinhude zu, dessen Häuser ich in der Biegung des Sees schon von hier sehen konnte. Hier waren auch mehr Spaziergänger unterwegs und natürlich die vereinzelten Radfahrer, die mir immer wieder begegneten auf dieser Tour.

Die andere Seite des Sees mit der Insel Wilhelmstein in der Mitte

In Steinhude hatte ich dann etwas über zwei Drittel des Weges geschafft und fühlte mich unendlich müde. Jetzt führte jedoch kein Weg mehr zurück, ich würde den Rest auch noch irgendwie gehen. Ich hatte den vagen Plan gehabt hier vielleicht nett in einem Restaurant etwas zu essen und dann mit ausgeruhten Füßen und Beinen den Rest der langen Tour anzugehen, aber es war schon relativ spät und ich wollte nicht im dunkeln Wandern. Also zwang ich meine Füße weiter.

Ich ging durch die hübsche Innenstadt auf dem kürzesten Weg wieder hinaus, doch der Weg zog sich. Der offizielle Pfad führte am Ufer und der Promenade entlang, die sehr nett aussah, doch meine Füße wollten keinen Meter extra laufen, egal wie schön der war. Also raus hier und wieder zurück in die Natur. Nach der langen Zeit an der wunderbar frischen und klaren Luft kamen mir die Autoabgase hier sehr intensiv vor und ich wollte ihnen so schnell wie möglich entkommen. Immer wieder war eine Badeinsel ausgeschildert, die wohl tatsächlich eine Insel im See ist und keine kleine Holzplattform, doch ich würde sie an diesem Tag nicht zu Gesicht bekommen, denn endlich schaffte ich es das Dorf hinter mir zu lassen.

Kaum hatte ich Steinhude hinter mir gelassen und war im Niemandsland zwischen den letzten Gebäuden hier und dem nächsten Dorf – passenderweise Strand genannt – als es anfing zu regnen. Kein Wunder, dass es mir so spät vorkam, wenn der Himmel sich mit Regenwolken vollgezogen hatte. Um etwas Zeit gutzumachen und auch um meinen Beinen und Füßen eine andere Art der Belastung und Bewegung zu ermöglichen, beschloss ich ein wenig zu joggen und so lief ich los. Immer von Baumgruppe zu Baumgruppe, wo ich kurz den sanften Regentropfen entkommen konnte. Immerhin regnete es nur sehr leicht und es kam mir auch gar nicht so schlimm vor. Irgendwie genoss ich sogar die Abwechslung. Ein paar Minuten später stoppte der Regen dann auch wieder und eine goldene Abendsonne zeigte sich kurzzeitig.

Ich fühlte mich schon dem Ziel näher und beschleunigte immer wieder meinen Schritt. Hinein ging es wieder in einen lichten Birkenwald, der am Rande des Toten Moors wuchs, das mich wieder zurück zu meinem Fahrrad bringen sollte. Langsam wurde es jedoch tatsächlich dunkler, die Sonne näherte sich dem Horizont und ich ging und lief abwechselnd durch den menschenleeren Wald. Es zog sich. Mehrere Kilometer musste ich so noch hinter mich bringen, bis ich endlich den Waldweg wiedererkannte, an dem auch hinter ein paar Bäumen die Hauptstraße zu erkennen war, auf der ich gekommen war. Pure Erleichterung. Hier hätte man noch auf einem Moorerkundungspfad ein paar Abstecher machen können und es gab wieder Infotafeln, aber ich ging mit Scheuklappen vor den Augen direkt zu meinem Fahrrad.

Geschafft. Puh. Ich schaute auf die Uhr und merkte, dass in 25 Minuten der nächste Zug nach Hause fahren würde. Sollte ich es versuchen? Mein Körper wollte eine kurze Pause, aber ich wollte nicht eine ganze Stunde auf die nächste Bahn warten und so trat ich kräftig in die Pedale auf meinem Weg zurück zum Bahnhof. Ich rannte die Treppe hinauf und konnte meinen Augen nicht trauen: auf die Deutsche Bahn ist doch tatsächlich Verlass. Sie kam 5 Minuten zu spät und so hatte ich noch 4 Minuten, um kurz durchzuatmen.

Was für ein Tag. Ich schlief auf der Rückfahrt fast ein und hoffte, dass die Menschen um mich herum im vollen Abteil nicht rochen, dass ich gerade über 30 km um einen See gestiefelt war. Ich weiß jetzt schon, dass ich diese Wanderung nicht noch einmal machen werde, auch nicht im Sommer, wenn mich mehr Tageslicht länger nach draußen lockt und man mehr Pausen machen kann. Allerdings komme ich gerne noch einmal mit dem Fahrrad wieder – als Radtour kann ich die Seeumrundung total empfehlen. Es sind schöne Wege ohne Autoverkehr und viele Möglichkeiten für Pausen, Strandbesuche, Cafés und Restaurants zum Einkehren und natürlich Natur. Vielleicht nehme ich dann auch alle Abstecher mit, auf die ich heute verzichtet habe.

Mareike

32 Jahre, aus der Nähe von Bremen.

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