Etwa 80 km durch Wälder, Wiesen und Heidelandschaften
Da der Winter sich dieses Jahr weit in den April erstreckte, hatte ich noch keine wirkliche Radtour gemacht – gerade mal 25 km hatten meine Beine an einem Tag auf dem Rad verbracht. Das letzte Wochenende im April versprach jedoch super Wetter und da ich zum Geburtstag meiner Cousine nach Lüneburg wollte, bot es sich an, eine längere Tour zu machen. Den ganzen Weg von Bremen (über 120 km) traute ich mir nicht zu und so beschloss ich, dass es reichen würde, in Lüneburg zu starten.
Die Radtour plante ich auf Komoot, da ich mir dort die Streckenbeschaffenheit am besten anzeigen lassen konnte, so dass ich noch ein wenig an der Route herumschraubte, um auf möglichst wenig nicht-asphaltierte Wege zu kommen. Mit den dünnen Reifen meines Rennrads muss ich nicht unbedingt auf Schotterwegen fahren. Die Route könnt ihr hier finden.
Entspannt ging es dann vormittags los, denn ich hatte 5 bis 6 Stunden mit Pausen eingeplant. Der Zug brachte mich an den Bahnhof von Rotenburg, wo ich in südöstliche Richtung starten würde. Leider würde ich hauptsächlich Gegenwind haben, wie mich meine App schon am Tag zuvor vorgewarnt hatte. Zumindest war der Wind nicht zu stark.
Ich startete die Navigation von Komoot auf meinem Handy, so dass ich mich nicht zu sehr auf Wegweiser konzentrieren musste und mehr von der Fahrt und der Umgebung haben würde. Und schon ging es los: Einmal über die Wümme und dann quer durch die Rotenburger Innenstadt, um auf dem schnellsten Weg aus der Stadt herauszukommen. Ich erreichte eine Landstraße, der ich nun etwa 15 km unter unterschiedlichen Straßennamen bis zum nächsten Dorf (Hemslingen) folgen würde. Der Fahrradweg war recht neu und so ließ sich die Strecke gut fahren. Ich ließ es langsam angehen und versuchte bei einem Durchschnitt von etwas über 20km/h zu bleiben. Eine erste Pause machte ich trotzdem schon nach wenigen Kilometern in einem kleinen Waldgebiet, da ich die Toilette im Zug nicht mehr genutzt hatte – ich war in ein Gespräch mit meinem Sitznachbarn verwickelt gewesen.
Von Hemslingen ging es wieder entlang von Bundesstraßen über ein kleines Dorf mit dem spannenden Namen ‘Grauen’ nach Lünzen, wo mich das Navi auf eine kleine Tour schickte, die das Dorf umging. Eigentlich nett, denn so kam ich mal von der Hauptstraße weg, allerdings waren die Kurven so eng, dass ich immer abbremsen musste und das störte mich dann doch mehr als das Fahren an Landstraßen. Nach einigen Minuten hatte ich das hin und her jedoch hinter mir und fuhr wieder zurück auf den Radweg neben der nächsten Bundesstraße, die direkt nach Schneverdingen führte. Ich war mittlerweile seit über einer Stunde am Fahren und beschloss an einer Bank irgendwo hinter Schneverdingen meine erste größere Pause zu machen. Die 30 km wollte ich jedoch noch knacken und im Ort wollte ich eh nicht rasten.
Kaum hatte ich das Dorf am Rande der Lüneburger Heide verlassen, kam mir die Gegend sehr bekannt vor – das Pietzmoor lag um die Ecke und die Wanderparkplätze links und rechts neben der Straße waren gut besucht. Es standen sogar einige Kutschen für Fahrten durch die Heide bereit, denn viele Menschen nutzten den sonnigen Tag ebenso wie ich für ein wenig frische Luft und Natur. Gleich hinter den Parkplätzen fand ich eine verlassene Bank zwischen Radweg und Heide – wie gemacht für meine Pause. Mit Blick auf die winterbraunen, kleinen Heidebüsche unter einem schönen blauen Himmel entspannte ich meine Beine, streckte mich genüsslich durch, rollte meinen steifen Nacken, genoss die warmen Sonnenstrahlen und aß mein Mittagessen.
Nach einem letzten Schluck Wasser stieg ich wieder auf mein Rad und fuhr weiter hinein in den südlichen Teil der Lüneburger Heide. Nach ein paar Minuten machte der Weg eine Kurve in den Süden und hier war es das einzige Mal, dass ich die Anweisung des Navis abzubiegen verpasste. Ich hätte auch einfach weiterfahren sollen, denn der Umweg war minimal und vermutlich sogar schneller als der Weg, den ich dort gewählt hatte, denn es ging über das einzige kleine Stück, das Kopfsteinpflaster und unbefestigte Waldwege beinhaltete. Ich musste sehr langsam fahren und es war auch kein Problem, aber für Rennradfahrerinnen empfehle ich die paar extra Meter über die Landstraße. In dem nächsten Dorf ‘Heber’ führen die Strecken wieder zusammen und ich konnte die nächsten 10 km entspannt bis nach Bispingen durchfahren.
Die eher waldige Gegend wurde nach der Lüneburger Heide langsam abgelöst von Wiesen und vielen kleinen Dörfern, die ich durchqueren musste. Es wurde außerdem noch etwas hügeliger, so dass ich auch immer wieder Steigungen erklimmen musste. Das Herunterfahren auf der anderen Seite war dann immer das Highlight, wenn meine Geschwindigkeit auf über 30 km/h anstieg und sich alles so leicht anfühlte.
In einem der Dörfer fand an diesem Tag ein Flohmarkt statt, weswegen überdurchschnittlich viele Autos auf den Grünstreifen zwischen Radweg und Fahrbahn parkten. Ich fuhr etwas langsamer, als ich sah, dass vor mir mehrere Leute aus ihrem SUV ausstiegen. Da der Weg jedoch schön breit war, machte ich mir keine Gedanken und fuhr weiter auf das Auto zu. Die Frau, die mir am nächsten war, stand neben ihrer Tür und schlug diese zu. Plötzlich drehte sie sich ohne Vorwarnung um und ging ohne nach rechts oder links zu schauen auf die andere Seite des Weges und damit genau in meine Fahrbahn. Ich habe immer noch keine Ahnung warum sie das gemacht hat, denn für mich ist das auch im Nachhinein absolut sinnloses Verhalten, aber sie tat es und da ich nur noch einen Meter entfernt war, konnte ich auch nichts mehr machen um auszuweichen. Ich zog noch meinen Lenker nach links, so dass ich nur mit der Schulter gegen sie knallte, verlor daraufhin selbst die Kontrolle und machte einen Abgang über den Lenker nach vorne. Zwischen Graben und Laternenmast landete ich in einer glücklichen Zone auf weichem, moosigen Gras und umarmte zum Abbremsen den Mast mit meinem rechten Arm. Ich lebte noch. Mit zitternden Beinen stand ich auf und checkte ob noch alles an seinem Platz war, aber es sah gut aus. Ich würde am nächsten Tag nur einen blauen Fleck an meinem Oberarm finden, von dem ich nicht genau weiß wie genau ich den durch die Aktion errungen hatte.
Mein Rad lag auch auf dem Rasen, so dass ich auch dort kurz die Funktionen checkte, aber auch das sah gut aus. Ich würde später sehen, dass mein Lenker auf der linken Seite wohl durch den Sturz verbogen war, aber ein Freund sagte mir, dass das man das wahrscheinlich ohne Probleme wieder richten kann, denn es wird wohl direkt dort im Gelenk passiert sein, das es bei Rennradlenkern zum Einstellen des Winkels gibt.
Die Frau, in die ich hineingefahren war, rieb sich die Schulter und meinte erstmal, dass ich doch nicht einfach ohne Klingeln hier lang fahren könne, also antwortete ich, dass sie nicht einfach ohne zu gucken durch die Gegend laufen kann. Die anderen Mitfahrer des Autos waren etwas sachlicher unterwegs und fragten mich, ob es mir gut ginge und so blieben wir alle ein paar Minuten stehen, redeten und überprüften noch mal sämtliche Gliedmaßen, bevor ich weiterfuhr.
Nach diesem Schreck brauchte ich ein wenig, um mich wieder richtig einzufahren, aber dann ging es wieder flüssig weiter. Kurz hinter Soderstorf knackte ich die 60-km-Marke und beschloss eine letzte längere Pause zu machen. Wie gerufen kam ein kleines historisches Gräberfeld (die Nekropole Soderstorf) direkt an der Straße zum Vorschein und ich bremste ab. Perfekt – ein kleiner Platz mit Bank zum Ausruhen, Herumlaufen und Infoschilder lesen, während ich noch ein paar Snacks aß und Wasser trank. Ich war seit über 3 Stunden unterwegs und somit sogar schneller als gedacht. Ich hatte trotz Wind und den Hügeln oft eine gute Durchschnittsgeschwindigkeit von 24 km/h über längere Zeiten gehalten und das obwohl ich darauf achtete nicht zu sehr außer Atem zu kommen, da ich in der Woche zuvor noch mit einer Erkältung zu Kämpfen gehabt hatte und bis zum Tag vor der Tour gar nicht gewusst hatte, ob ich überhaupt fit genug sein würde.
Die letzten 20 km würde ich nun auch noch schaffen, da war ich mir sicher. Obwohl ich langsam müde wurde und mein Nacken durch die ungewohnte Kopfhaltung protestierte. Immerhin hatte ich keine Knieschmerzen, womit ich sonst schon öfter zu kämpfen hatte, was ich als riesen Gewinn sehe – ich hatte mein Rad auch extra auf meine Größe einstellen lassen, das hat sicherlich geholfen.
Nach der entspannten Pause machte ich mich also wieder auf den Weg, um über Oldendorf und Südergellersen in den südlichen Teil von Lüneburg zu fahren. Die Straßen waren super und so kam ich trotz müder Beine schnell voran. Nach 81,7 km und einer Bewegungszeit von 3:35 Stunden (mit Pausen 4:12) kam ich wenig partytauglich bei meiner Cousine an. Nichts, was eine kurze Dusche, ein paar Elektrolyte und Cola nicht wieder richten könnten. Und so wurde es noch ein sehr schöner und langer Abend! 🙂