Etappe 5: Saleinaz bis Le Peuty

Aus dem Tal heraus über Champex zurück in die Berge

An diesem, meinem 5. Wandertag der Tour du Mont Blanc, beendete ich die Strecke nach Champex (7. Etappe) und machte zusätzlich die 8. Etappe bis nach Trient, beziehungsweise dem Campingplatz kurz dahinter in Le Peuty. Mit weniger als 25 km fast ein entspannter Ruhetag. Es gibt eine hochalpine Variante von Champex aus, die ich gerne machen wollte.


Ich glaube es waren Vögel, die mich aus dem wie immer unruhigen Schlaf weckten. Unter den Bäumen war noch kaum zu sehen, dass die Sonne schon langsam über den Horizont kroch, es war kurz nach 6 Uhr. Ich blieb noch ein paar Minuten liegen, doch dann gab ich mir einen Ruck und machte mich fertig. Ich wollte das Zelt abgebaut haben und wieder auf dem Weg sein, bevor die ersten Wanderer hier vorbeikamen. Ich hatte mittlerweile eine Routine im Auf- und Abbau des Zeltes und auch im Inneren war alles an seinem Platz, so dass ich mich auch im Halbdunkel des Morgens zurechtfand.

Ein Morgenspaziergang nach Champex

Um kurz vor 7 Uhr war ich fertig und begann meinen 5. Wandertag. Nur wenige Minuten durch den Wald kam ich auch schon am unteren Ende heraus, bog links ab und durchquerte ein kleines Dorf (Saleinaz). Dieses ging quasi übergangslos in das größere Dorf Praz-de-Fort über, wo ich am äußeren Rand eine Wasserquelle und eine perfekt saubere öffentliche Toilette fand. Hier unten im Tal wollte ich nicht das Wasser aus Flüssen trinken und so war ich froh über die Trinkwasserbrunnen.

Im Tal geht es los…

In Praz-de-Fort verlief ich mich kurz, gefangen im Straßengewirr der Zivilisation, dann fand ich die Wegweiser wieder und konnte die verschlafenen Gassen wieder verlassen. Ich würde hier im unteren Teil des Tals entlang von grünen Weiden noch bis zum nächsten Dorf weiterlaufen – Issert. Rustikal und wie aus einem anderen Jahrhundert standen die Steinhäuser eng zusammen und ich konnte mich an der liebevollen Dekoration der kleinen Vorgärten und Fensterbretter kaum sattsehen.

Von hier ging es nun aus dem Tal heraus in die Richtung von Champex, das etwa 400 Höhenmeter über mir lag. Ich aß noch einen Apfel, um mich zu stärken und dann ging es auf kleinen Pfaden in einen Wald hinein. Irgendwann führte der Weg auf eine Forststraße mit Schotter, die mir nicht gefiel, aber da Künstler am Wegesrand in regelmäßigen Abständen Statuen aufgestellt hatten, suchten meine Augen immer nach dem nächsten kleinen Highlight. Es gab Bergziegen, Eichhörnchen, Wichtel, Pilze und viele andere kleine Figuren. Es soll auch einen Adler geben, den ich jedoch verpasst haben muss. Die TMB verließ irgendwann die Forststraße wieder und führte auf schmaleren Pfaden durch einen schönen Wald, weiterhin bergauf, jedoch immer noch mit geschnitzten Wegbegleitern in regelmäßigen Abständen.

Kurz vor Champex traf ich auf die ersten Wanderer des Tages und gegen 9 Uhr erblickte ich den See zwischen den Bergen, an dem das Dorf Champex liegt. Der offizielle Name ist Champex-Lac und dort kann man gut einige Zeit verbringen und die ruhige Umgebung und den Blick auf den spiegelglatten, klaren See genießen. Es gibt Hotels, Cafés und einen Supermarkt. Als ich an einem Café-Außenbereich vorbeikam, staunte ich nicht schlecht, denn dort saßen die beiden Südafrikanerinnen. Natürlich redeten wir erst einmal und ich machte eine längere Frühstückspause.

Von Champex gibt es eine Variante, die hoch in die Berge führt und wunderschön sein soll – ich hatte geplant diese mitzunehmen, diesmal war ich auch früh genug am Startpunkt angekommen. Sie gilt als Highlight der Tour und ich hatte auch von anderen gehört, dass diese Route einfach atemberaubend sein soll.

Alles lief nach Plan. Das Einzige, was mich jedoch irgendwie nervös machte, waren die Wolken, die heute anders aussahen als an den vorherigen Tagen. Der Himmel war blau und die Sonne schien warm auf uns herab, aber über den Bergen waren Schlieren aufgezogen und ich weiß nicht warum mir das überhaupt auffiel, aber ich googelte das erste Mal auf dieser Wanderung den Wetterbericht. Und dieser sagte Regen voraus – schon ab dem frühen Nachmittag, also genau die Zeit, zu der ich oben am höchsten Punkt der Wanderung sein würde. Da im Wanderführer explizit ein Warnhinweis zu schlechtem Wetter auf dieser Alternativstrecke angegeben war, hatte ich nun eine schwere Entschiedung zu treffen. Die beiden Frauen mit lustig klingenden Namen hatten nicht vor diese Variante zu gehen und so wäre ich allein. Ich denke im Endeffekt wäre alles gutgegangen, aber ich bin lange genug in den Bergen, dass ich weiß, dass man sein Glück manchmal nicht herausfordern muss. Enttäuscht entschied ich mich der Normalroute zu folgen.

Champex-Lac (1.470 m)

Das hieß jedoch, dass ich viel mehr Zeit zur Verfügung hatte als geplant und so machte ich einen großen Teil der Wanderung zusammen mit den Südafrikanerinnen. Die jüngere ist Mitte 20 gewesen und war mit ihrer Tante unterwegs – beide super nette Menschen und so hatten wir viel zu reden. Es war für sie immer ein Traum gewesen die Tour du Mont Blanc zu wandern: Die junge Frau zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Tante. Und diese Geschichte ist wieder ein Beispiel dafür, dass man manchmal über Träume und Pläne nicht nur reden sollte, denn ihre Mutter ist letztes Jahr gestorben und nun machten sie die Tour allein, auch in Gedenken an diese Frau, die zu wenig Zeit auf dieser Welt hatte.

Champex – Alp Bovine – Trient

Die 8. Etappe besteht aus 16 Kilometern hinauf auf etwas über 2.000 m und dann wieder hinab ins Tal nach Trient. Dafür sind etwa 5,5 bis 6 Stunden Wanderzeit angegeben.

Ich genoss es auch einmal langsam zu laufen und freute mich an der netten Unterhaltung. Zunächst ging es erst über ein paar Straßen und dann in ländlicher Umgebung heraus aus dem Ort und wir kamen noch an einigen Häusern vorbei, die dort im Tal zwischen Wiesen standen. Dann bog der Weg ab und wir folgten einem Forstweg in den Wald. Es war klar, dass es demnächst wieder bergauf gehen würde, auch wenn wir hier 3 km entspannt gelaufen waren.

Nachdem wir die ersten Höhenmeter noch zusammen gegangen waren, war schnell klar, dass ich bergauf deutlich schneller war, und so beschlossen wir uns einfach oben wieder zu treffen. Ich ging also nun wieder entspannt in meinem eigenen Tempo und genoss die Natur um mich herum. Zunächst ging es durch einen Wald, doch je höher ich kam, desto offener wurde die Gegend. Die Bäume wurden durch höhe Büsche ersetzt und es war erstaunlich feucht. Eine nette Abwechslung zu den trockenen, staubaufwirbelnden Wandertagen in Italien. Blumen blühten im spätsommerlichen Sonnenschein und Insekten schwirrten durch die Luft.

Die ersten Ausblicke zeigten die Täler der Schweizer Alpen, später hatte man einen wunderbaren Blick auf die Stadt Martigny. Ich war überrascht diesen Teil vor mir zu sehen, denn auf der anderen Talseite konnte ich die Straße sehen, die über einen Pass hinein ins Chamonix-Tal führt und auf der ich schon gefahren bin. Eine wunderschöne Eisenbahnstrecke fährt parallel dazu durch die Berge und liefert ein paar der schönsten Aussichten, die man beim Zugfahren haben kann.

Ich ging weiter bis zu einer felsigen Flussüberquerung, die so wunderbar im Sonnenschein lag, dass ich beschloss, hier eine Pause zu machen und auf die beiden Südafrikanerinnen zu warten. Von dort ging ich zusammen mit der jüngeren bis zur Alp Bovine (1.987 m) weiter und wir unterhielten uns die ganze Zeit. Der Weg folgte den Krümmungen der Bergflanke und ging stetig bergauf, wieder hinein in einen lichten Wald. Erst kurz vor der Berghütte kamen wir wieder in offenes Gelände und liefen über Kuhweiden bis zum eingegrenzten Terrassenbereich, wobei wir ein paar herumliegenden Kühen ausweichen mussten. Da wir eh auf die Tante warten wollten, beschloss ich mir hier eine Suppe zu gönnen und so setzten wir uns an einen der Tische. Hier oben war es kühl und Wolken waren sehr plötzlich über den Bergen aufgezogen. Ich war noch nicht ganz fertig mit dem Essen, als es anfing zu regnen. Da es zudem auch plötzlich sehr windig war, wurden die Sonnen- / Regenschirme eingeklappt und wir standen plötzlich direkt im Regen. Schnell zog ich meinen Regencape über und schützte auch meinen Rucksack. Das war eh das Wichtigste – dass ich später trockene Sachen anziehen konnte.

Ich wollte gerade losgehen, da ich nicht im Regen hier auf offener Wiese stehen wollte, da kam die Tante endlich dazu. Da die beiden jedoch noch eine längere Pause machen wollten, ging ich schon einmal vor. Wir hatten ausgemacht bei Le Peuty zu zelten und würden uns spätestens dort sehen.

Es war ungemütlich und kühl und ich war in diesem Minuten sehr froh nicht irgendwo auf 2.600 m über mir in den Bergen zu stecken. Von hier ging es noch einmal kurz hoch, auf den höchsten Punkt dieses Wandertages: Collet Portalo (2.040 m) und dann nur noch hinab. Es war nicht allzu steil und da ich nach wenigen Minuten einen Engländer einholte und mich bis nach Col de la Forclaz (1.526 m) – kurz vor Trient – mit ihm unterhielt, ging die Zeit auch super schnell vorüber. Der Regen hörte nach kurzer Zeit auf und die Sonne kam wieder zum Vorschein. Es ging durch einen lichten Pinienwald immer weiter hinunter, eine angenehme Strecke, die nicht allzu stark auf die Knie ging.

In Col de la Forclaz gab es ein paar Unterkünfte und einen kleinen Souvenirshop, in dem ich mir eine Tafel Schokolade kaufen wollte und es gab auch bestimmt sehr leckere Schokolade, aber ich wollte Karamell oder etwas anderes noch süßeres und dafür war sich der Schweizer Laden wohl zu gut. Schade. 😀

Col de la Forclaz ist der nördlichste Punkt der TMB und am weitesten vom Gipfel des Mont Blanc entfernt. Auf der Terrasse auf der anderen Seite der Straße (übrigens ein Teil des Passes für die Autos, der hier jedoch abbiegt und nicht die gleiche Route nimmt wie die TMB) saßen viele Wanderer bei einem Bier. Der Engländer beschloss hierzubleiben und so ging ich nach einer kurzen Pause weiter. Es war noch etwa eine halbe Stunde bis zum Campingplatz hinab, welche mir jedoch schneller vorkam.

Der Campingplatz in Le Peuty war klein, aber lag direkt an der Hauptroute der Tour du Mont Blanc und außerdem auch der „Haute Route“, einem Fernwanderweg, den ich auch gerne einmal Wandern würde. Dieser führt nach Zermatt und ist ursprünglich eine berühmte Skiwanderroute. Auf dem Campingplatz traf ich auch einige Wanderer, die hier die Haute Route starteten. Man konnte sein Zelt einfach aufbauen und gegen 19 Uhr oder so würde jemand vorbeikommen und die 6 Euro Gebühr einsammeln.

Alles klappte wunderbar. Ich hatte gerade mein Zelt aufgebaut, als es anfing zu regnen – Glück gehabt. Ich entspannte mich also erst einmal im Zelt, aß mein Abendbrot und genoss das Tröpfeln über mir. Als es für ein bis zwei Stunden wieder aufklarte, kamen meine anderen Wanderbekanntschaften alle hierher und bauten auch ihre Zelte auf. Die Südafrikanerinnen hatten tatsächlich einen Bus von den Col de la Forclaz hier runter genommen und kamen daher trocken an. Auch den Engländer traf ich später wieder und verbrachte mit ihm und 4 anderen Leuten einen super lustigen Abend in einer Jurte, wo wir Bier tranken. Eigentlich hatten wir draußen sitzen wollen, aber der Regen hatte wieder eingesetzt und war zu einem schlimmen Unwetter geworden. Es gewitterte und der Regen klatschte nur so herunter. Der Boden stand unter Wasser und selbst in die Jurte liefen Ströme von Wasser hinein. Ich hoffte nur, dass ich später in ein trockenes Zelt zurückkehren würde.

Die Hälfte des Campingplatzes war abgesperrt, da hier eine Versorgungsstation eines Schweizer Ultramarathons aufgebaut war: die 260km-Station eines 360 km langen Laufs. Eigentlich waren die Läufer um 15 Uhr erwartet worden, aber es hatte wohl ein Unwetter in den Bergen gegeben und außerdem war vor 2 Wochen eine Brücke weggespült worden, so dass der erste Läufer erst gegen 20 Uhr hier ankam. Er würde auch der einzige Läufer bleiben, den ich sah, denn als ich gegen 22 Uhr in mein Zelt zurückging, war noch niemand anderes aufgetaucht. Da die Läufer die gleiche Strecke liefen, die die Variante des heutigen Abschnitts gewesen wäre, war ich froh dort nicht langgegangen zu sein. Ich traf zwar im Camp Leute, die diese gewandert waren und meinten, dass es okay gewesen wäre, aber ich weiß nicht, wie früh sie in Champex aufgebrochen sind und wann der kurze Regen sie nachmittags erwischt hatte.

Nach der geselligen Runde rannte ich so schnell wie möglich durch den Platzregen zu meinem Zelt zurück und putzte dort meine Zähne, um nicht noch einmal hinauszumüssen. Das Zelt war wunderbar trocken und fühlte sich sogar warm an. Ich würde eine erstaunlich entspannte Nacht haben. Tag 5 endete nach 24,23 km, 1.252 Höhenmetern und entspannten 6,5 gelaufenen Stunden.

Mareike

35 Jahre, aus der Nähe von Bremen.

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