Eine lange Wanderung durch die Felsenstadt
Als ich einige Zeit in Jordanien war, musste ich natürlich auch Petra, die Felsenstadt und Weltkulturerbe, besichtigen. Dass es sich dabei um ein riesiges Gelände handeln würde und nicht nur das eine Foto ist, das man immer wieder sieht – geschmückte Kamele vor einer in den Felsen gehauenen hohen Tempelfront, dem Schatzhaus der Stadt – das wurde mir nur langsam bewusst. Begleitet mich daher auf meiner Wanderung durch eine historische Stadt, die lange Jahrhunderte vergessen zwischen den Felsen lag.
Von meinem Hotel in Wadi Musa konnte ich entspannt zu Fuß zum Haupteingang und dem ‚Petra Visitor Center‘ laufen, wo ich meinen Jordan Pass vorzeigte und dafür eine Eintrittskarte bekam.
Und schon konnte es losgehen. Da das Gelände so groß ist, gibt es auch alternative Fortbewegungsarten, wie Pferde oder elektrische Buggys, die einem den etwa 3,5 km langen Weg zum Schatzhaus erleichtern. Taxen fahren um das Gelände herum und liefern einen auf der anderen Seite ab, so dass man den Weg nur einmal gehen muss. – Es gibt viele Möglichkeiten Petra zu erkunden. Als Wanderbegeisterte entschied ich mich natürlich für das Laufen (eine Karte des Geländes habe ich am Ende des Artikels eingefügt).
Ein langer, breiter Schotterweg führte hinab zum Eingang in einen schmalen, steilen Canyon und schon hier draußen waren Höhlen und Tempel aus den Felswänden gehauen worden. Ich war sofort fasziniert. Dann jedoch erreichte ich den Eingang zur Schlucht – dem Siq – und war überwältigt. Der Canyon mit seinen wellenförmigen Wänden und verschiedenen Farbtönen war schon ein unglaubliches Naturwunder für sich und hätte gar nicht die erstaunliche Felsbaukunst der alten Nabatäer gebraucht, um zu einem besonderen Ausflugsziel zu werden. Der Canyon wurde damals als Aquädukt genutzt und man konnte teilweise noch die Reste der Wasserrinnen an den Felswänden erkennen. Er führte nun etwa 3 km in die Felsen hinein, bis er sich zu einer kleinen offenen Höhle öffnete, in der die Hauptattraktion Petras liegt: das Schatzhaus (Al Khasneh).
Aus dem dunklen Felsgang leuchtete plötzlich die Fassade des Schatzhauses von Sonnenschein beschienen vor mir auf und dieser erste Blick raubte mir schon den Atem. Auf dem Platz vor dem Schatzhaus tummelten sich Touristen, Kamele und Souvenirverkäufer, so dass es unmöglich war ein Foto ohne andere Menschen darauf zu bekommen. Irgendwie nahm das Gewusel ein wenig die Magie aus der Kunstfertigkeit, mit der diese Fassade in den Felsen gehauen worden war. Ich lief bald weiter und hoffte auf dem Rückweg noch einmal hier stoppen und die Schönheit bewundern zu können.
Nach kurzer Zeit wurde der Canyon breiter und öffnete sich dann ganz zu einer großen Fläche. Rechts vor mir an der Felswand lagen die Königsgräber, links lag ein Theater an die Flanke geschmiegt, das 1961 wiederentdeckt worden war und bis zu 5.000 Menschen Platz bot.
Ich schaute mich hier unten kurz um und beschloss dann einem Pfad nach oben zu folgen, heraus aus der unteren Eben des Canyons und der Hauptattraktionen Petras. Denn man konnte hier langsam erahnen, dass sich die Bauwerke zu einer ganzen Stadt entfalteten, die in den Sandstein dieser Region gehauen war. Der Canyon war nur ein Zugang gewesen. Erstaunlich.
Ich wollte dem „High Place of Sacrifice Trail” folgen, der 3 km lang ist und mit über 3 Stunden Gehzeit scheinbar recht anstrengend wird. Es ging auch direkt eine lange Felsentreppe hinauf, die teilweise vor über 2.000 Jahren erbaut worden war und mich wegführte von dem Trubel weiter unten. Hier waren kaum noch Menschen und ich fühlte mich direkt wohler in der wunderbaren Natur. Die Felsen waren bunt und mit jedem Meter wurde der Ausblick besser. Oben angekommen machte ich noch einen Abstecher weg vom Hauptweg vorbei an einer Ziegenherde hinauf auf die Hochebene, durch die sich die Canyons wie tiefe Einschnitte ziehen. Hier oben war eine ganz andere Welt und ich genoss die warme Sonne, denn besonders im Schatten unten hatte mich die kalte Luft überrascht.
Dann fand ich auf einer etwas abenteuerlichen Klettertour meinen Weg zurück zum Hauptpfad und lief weiter zu einem Plateau mit Obelisken und einem antiken Opferplatz, der dem Weg seinen Namen gegeben hat. Dort erwartete einen ein toller Panoramablick über die zerklüfteten Felsen und auf der anderen Seite sogar die hellen Häuser von Wadi Musa.
Von hier ging es dann nur noch bergab und dieser Teil des Weges gehört definitiv zu meinen Highlights des gesamten Tages. Man folgte wieder uralten, ausgetretenen Treppenstufen, die einen zu außerweltlich schönen Tempeln und Räumen führten, die in die bunten Felswände gebaut worden waren. Hier waren kaum andere Menschen, so dass man die Ursprünglichkeit und die Ruhe der Felsen wirklich aufnehmen konnte. Die Farben, die wellenförmigen Muster der verschiedenen Sandsteinschichten und die Kunstfertigkeit der Steinmetze und Bauer, die die natürlichen Gegebenheiten nutzen und sie für ihre Zwecke umgestalteten, ohne dem Felsen etwas von seiner Schönheit zu nehmen – ich war fasziniert.
Irgendwann musste ich diese fantastische Welt jedoch wieder verlassen, denn ein Großteil der Stadt lag noch vor mir und so wanderte ich weiter und kam nun hinaus aus den Felsen in eine helle Wüste. Ich hätte rechts abbiegen können zurück zum Theater auf dem Hauptweg, doch ich entschied mich für die Wanderung durch den Sand und groben Schotter. Es war ruhig und ich konnte ein wenig die Eindrücke der letzten Stunde verarbeiten, während ich hier durch die verlassene Gegend schritt.
Irgendwann erreichte ich dann ein Dorf, das auch an eine Felswand gebaut war und bewohnt wurde, so dass ich nicht hinein ging, sondern vorher auf einen Weg abbog, der mich zum ‚Großen Tempel‘ und somit zum Hauptweg zurückbrachte. Von hier hatte ich einen guten Überblick über die große offene Ebene bis zurück zu der Felswand der Königsgräber, die ich vor einigen Stunden unter mir zurückgelassen hatte. Zahllose Mauerstücke, gehauene Sandsteinbruchstücke und kunstvolle Säulenabschlüsse lagen auf dem Boden herum, denn die Gebäude hier auf der Ebene waren aus Steinblöcken gefertigt und nicht aus Felswänden gehauen, so dass der Zahn der Zeit stärker an ihnen genagt hatte und nur noch Ruinen zurückgelassen hat.
Hier an dem Schnittpunkt verschiedener Wege waren einige Restaurant aufgebaut und so waren auch die Touristenmengen zurück. Ich entfloh diesen jedoch, indem ich links eine Steintreppe hinaufstieg, die zu einem Balkon vor einigen kleinen Grabkammern führte. Man konnte diesem Balkon folgen und so stand ich plötzlich auf einer Ebene, die scheinbar zu einem kleinen Dorf gehörte. Ich konnte verschiedene Häuser und umzäunte Pferche mit Ziegen sehen – alle waren sie auf unterschiedlichen Höhen angelegt ohne erkennbare Wege oder Treppen dazwischen. Hier kam ich nicht weiter und so ging ich den selben Weg wieder zurück und hinunter in die Canyons, die sich hier zu verschiedenen Seiten öffneten und die ich eben von oben schon teilweise gesehen hatte.
Ich wollte zum Ad-Deir Kloster, das etwa 2,5 km von hier entfernt lag, folgte jedoch zunächst einem Weg, der in eine andere Schlucht führte, so dass ich nach ein paar Minuten wieder umdrehte, als ich meinen Irrtum bemerkte. Hier war auch absolut niemand, das hätte mir gleich zu Anfang auffallen können. Der Weg hoch zum Kloster war nämlich recht gut besucht, da es eins der Highlights eines Petra-Besuches ist. Es war ein wunderschöner, felsiger Pfad, der sich in die Berge hinaufschlängelte. Natürlich ging es wieder bergauf und ich merkte langsam, dass ich schon recht lange auf den Beinen war. Somit nahm ich jede Ablenkung dankbar an, um eine kleine Pause zu machen. Zunächst besucht ich das ‚Löwen-Triclinium‘ und dann schaute ich mich immer wieder um, denn die Aussichten wurden immer besser – jedoch in meinem Rücken und nicht vor mir.
Das Kloster war den Umweg auf jeden Fall wert gewesen, ein riesiges Bauwerk im Felsen mit Türmchen und einer großen dunklen Öffnung, die in den Tempel führte. Es erinnerte stark an die Fassade des Schatzhauses, nur dass es vor einem großen offenen Platz lag – errichtet auf den Felsen und nicht in einer Schlucht. In das Kloster durfte man nicht hinein, aber ich hatte ja schon anderen Höhlen erkundet an diesem Tag. Hier machte ich noch eine kleine Pause und bewunderte die Architektur, bevor ich mich wieder auf den Rückweg machte – diesmal mit den schönen Aussichten vor mir.
Unten angekommen kaufte ich mir bei einem der Restaurants eine Lemon-Mint-Limo, um neue Kraft zu tanken. Denn nun würde ich mich langsam auf den Rückweg machen und dem mir hier noch unbekannten Hauptweg zurück folgen. Ich genoss die Landschaft und die Ruinen und auch, dass ich keine Höhenmeter mehr machen musste.
Nun kam ich auch endlich nah heran an die Königsgräber, die ich schon vor Stunden hinter mir zurückgelassen hatte und die nun über mir in der Felswand lagen. Der ‚Al-Khubtha Trail‘ soll sich auch richtig lohnen und eigentlich hatte ich vor gehabt diesen auch noch an meine Wanderung heranzuhängen, aber ich war zu müde, um jetzt noch einmal bergauf laufen zu müssen. Es wird eh empfohlen sich Petra an mindestens zwei Tagen anzuschauen, denn das Gelände ist wirklich riesig und es gibt immer noch mehr zu entdecken, wenn man seinen Blick schweifen lässt.
Ich folgte also dem Hauptweg vorbei am Theater wieder zurück auf den Platz mit dem Schatzhaus, der nun nicht mehr ganz so voll war, allerdings auch nicht mehr von der Sonne angestrahlt wurde. Es war schön zum Abschluss des Tages die Hauptattraktion noch einmal anschauen zu können und damit diesen langen, ereignisreichen Tag abzuschließen. Ich habe locker über 20 km gemacht an dem Tag, einige Treppen mitgenommen und sehr viel gesehen und jeder Schritt hat sich gelohnt. Petra ist zurecht eines der 7 neuen Weltwunder und ich bin froh, dass ich es mir so ausführlich anschauen durfte. Ich hätte nichts dagegen noch einmal wieder zu kommen, denn es gibt noch einiges zu entdecken und Jordanien ist ein Land, das man recht einfach bereisen kann.