Fernwanderweg Forststeig – Etappe 5

Rotsteinhütte bis Nikolsdorf

Über die Hälfte des Forststeiges (etwa 105 km lang) lag schon hinter mir. An Tag 1 von Schöna aus gestartet, dann entlang der tschechischen Grenze bis nach Ostrov (Tag 2), weiter über die Kamphütte (Tag 3) bis zur Rotsteinhütte (Tag 4).


Als ich an diesem Morgen aufwachte, war mir gar nicht bewusst, dass ich über die Hälfte des Weges schon hinter mir hatte. Und ich wusste auch nicht, dass der Tag ganz anders enden würde, als ich es mir vorgestellt hatte. Aber zurück zum Anfang. 

Als ich gegen 7 Uhr zum kleinen Toilettenhäuschen ging, sah ich, wie im Osten die Sonne durch die Bäume blitzte und ein paar der Männer wach wurden, die sich mit ihren Zelten und Hängematten um die Hütte verteilt hatten. Der Typ mit der Hängematte am Hang mit Blick auf den Sonnenaufgang hatte auf jeden Fall den Premiumplatz des Tages. Ich hatte nicht super gut geschlafen, da ich diese Nacht den Raum mit ein paar anderen Wanderern teilen musste und ich so immer bei jedem kleinsten Geräusch hochschrecke. Wahrscheinlich hielt ich alle anderen durch mein ständiges Gewühle vom Schlafen ab, aber wenn alle nicht schlafen, macht der nächste Tag gleich viel mehr Spaß, oder?

Wieder rein in den Wald…

Ich startete ohne Frühstück sobald ich fertig war und alles zusammengepackt hatte und machte mich auf den Weg, wieder den gelben Markierungen hinterher. Es war noch früh, denn natürlich war ich sofort wach geworden, als sich der erste Mitbewohner morgens bewegt hatte. Felsformationen begrüßten mich schon auf dem ersten Kilometer und endlich ließ ich die Gedanken an andere Wanderer und deren Geräusche und Gerüche hinter mir. Die Stille des Waldes empfing mich, meine dumpfen Schritte auf dem weichen Boden bildeten einen beruhigenden Rhythmus und das erste Lächeln zauberte sich auf mein Gesicht.

Gegen 8 Uhr erreichte ich den besten Punkt für mein Frühstück und eine erste Rast – eine Felsenklippe mit weitem Blick nach Osten. Die Sonne stand über ein paar Tafelbergen, von denen ich annahm, dass sie die Zirnsteine waren, auf denen ich am ersten Tag entlang gewandert war. Hier gab es auch einen überdachten Picknicktisch, den ich aber nicht brauchte, da die Felsen trocken waren und schön in der Sonne lagen. 

Der Forststeig sollte hier dem Grat des Berges folgen, hoch zum Katzstein (Katzfels), aber dieser Pfad war wegen Forstarbeiten gesperrt, so dass ich einer mehr schlecht als recht ausgeschilderten Umleitung folgen musste. Stangen waren in unregelmäßigen Abständen in den Boden gerammt worden, mal unnötig nah beieinander und an anderen Stellen so weit auseinander, dass ich die nächste Stange nicht sehen konnte. Besonders schlau, wenn dort eine Kreuzung war. Ich musste nun eh schon den nicht so schönen Forstwegen mit Schotter als Untergrund folgen und wollte hier nicht noch falsch laufen, also musste ich manchmal raten und zog dazu meine Offline-Wanderkarte auf dem Handy zu Hilfe, um zumindest in die richtige Richtung zu gehen. Das klappte ganz gut, nahm mir aber ein wenig den Spaß an der Wanderung. 

Hinter dem Spitzsteinbivak kam ich dann wieder zurück auf den Forststeig (der Spitzstein wurde somit auch übersprungen) und folgte den Pfaden hinunter ins Tal. Ein Bach bot sich als Quelle für meine ausgeschöpften Trinkflaschen an und ich füllte auf und trank so viel ich konnte, denn ich wusste, dass es an diesem Tag knapp werden sollte mit Wasser. Es würde zurück ins Bielatal gehen und der Fluss dort ist zu groß und liegt zu tief im Tal, als dass man sicher daraus trinken könnte.

Der Weg durch den Wald war nun wieder ruhig und ich begegnete keinen anderen Wanderern. Es ging wieder bergauf, denn ich näherte mich dem Lampertstein, einem Highlight dieser Etappe. Ein Promenadenweg führte mich unterhalb der Felsen an ihnen vorbei in Richtung Norden, wo ein großartiger Aussichtspunkt auf mich wartete. Sonnige Felsen und Bänke luden zum Verweilen ein und ich traf meine schon deutlich vor mir aufgebrochenen Wanderfreunde, die hier gerade ihre Pause beendeten. Der Blick nach Norden zeigte das Panorama von Pfaffenstein und Burg Königstein vor dem Bogen der Elbe, die man zwischen dem Grün der spätsommerlichen Landschaft im Tal jedoch nur erahnen konnte.

Etwa 7 Kilometer lagen hinter mir und ich genoss diese Pause sehr, bevor ich mich wieder auf den Weg machte. Es ging nun auf dem Felsen entlang in Richtung Süden, also parallel zu dem Promenadenweg oben entlang. Dann bog der Forststeig ab und führte hinunter an den Rand des Dorfes Reichstein, welches dann mit Blick auf die Felder und Häuser am Rande des Waldes umgangen wurde. An einer schönen Aussicht, die jedoch etwas windig war, traf ich meine Wanderfreunde wieder – wir machten scheinbar immer an den gleichen Stellen Rast. 

Nun ging es vollends ins Tal hinunter, denn die Biela musste überquert werden, um auf der anderen Seite wieder hinaufzusteigen. Es ging zu einer Felsgruppe rund um den Bernhardstein. Dort hatten sich während der napol. Befreiungskriege 1813 französische Truppen verschanzt. Heute hatte man dort einfach eine schöne Aussicht über die Wälder und Berge. 

Ich blieb jedoch nicht zu lange, denn das heutige Highlight lag noch vor mir: das Felsenlabyrinth bei Langenhennersdorf. Besonders bei Familien mit Kindern beliebt, ist dieses Gebiet oft Ziel von Tagesausflügen und ich sah hier so viele Menschen, wie in den ganzen letzten Tagen zusammengenommen. Viele hatten Decken und Picknickkörbe dabei, die Kinder rannten durch Felsspalten und kletterten auf den Felsen herum.

Es gab sogar eine Karte des ganzen Gebietes mit durchnummerierten Felsen und einer vorgeschlagenen Route. Ich folgte hier auch nicht mehr den gelben Wegweisern, sondern wanderte mal links, mal rechts, mal über, mal unter Felsen lang und verfluchte gelegentlich meinen sperrigen Rucksack. Aber was für ein Spaß, ich kann total verstehen, dass Menschen jeden Alters gerne hierher kommen, viel besser kann ein Outdoor-Spielplatz kaum sein. Als Kind hätte ich Tage hier verbringen können.

Als ich aus dem Felsenwirrwarr herauskam, umrundete ich eine Gruppe von Parkour-Läufern, die hier Sprünge trainierten. Ich musste ein paar mal hin und her gehen, um den Weg wiederzufinden und so sah ich den Sportlern etwas öfter zu, als ich eigentlich vorgehabt hatte. Aber dann war ich zurück auf dem Forststeig und ging wieder in den ruhigen Wald hinein, der wieder von tollen Felsformationen durchbrochen war, jedoch diesmal ohne Menschen. Mitten im Wald lag ein die Waldbühne Leopoldishain mit 6 Reihen von Holzbänken auf einer schattigen grünen Lichtung. Was für eine schöne Überraschung.

Es war kurz nach der Mittagszeit und es war angenehm warm und ich hätte noch länger laufen können, aber schon einige Zeit später kam ich an meinem Ziel an, dem Nikolsdorfer Bivakplatz. Dieser Zeltplatz liegt neben dem Walderlebniszentrum Leupoldisheim, wo auch ein großes Gebäude steht, an dem es eine Wasserquelle (außen angebrachter Wasserhahn) geben sollte. Dummerweise war jedoch das komplette Gelände rund um das Gebäude aufgerissen und abgesperrt. Eine Baustelle. Selbst wenn das Wasser nicht abgestellt war, sah es nicht so aus, als würde ich zu dem Hahn kommen ohne über den Bauzaun klettern zu müssen. Meine Flaschen waren leer und so versuchte ich auf der Karte zu schauen, ob es irgendwo in der Nähe Trinkwasser geben könnte. Weiter unten an der Straße war ein richtiger Campingplatz, wo ich wahrscheinlich nachfragen könnte, aber das ist nicht gerade meine Stärke. Da es auch noch so früh war und ich den halben Tag noch vor mir hatte, beschloss ich plötzlich den Plan komplett zu ändern, den nächsten Bus in 20 Minuten unten an der Straße zu nehmen und nach Bad Schandau zurück zu fahren. Eine Dusche klang zu verlockend. 

Gedacht, getan, und schon saß ich mit ein paar jungen Mädels im Bus nach Pirna, die jedoch auf halber Strecke bemerkten, dass sie im falschen Bus saßen und wieder ausstiegen. Ansonsten war der Bus bis Pirna leer, erst dort stiegen in den Randgebieten Leute zu und ich hoffte, dass ich nicht zu sehr nach 5 Tage Wandern roch. Ich muss jedoch sagen, dass ich mit meinem Merino-Shirt sehr zufrieden war. Ich hatte die letzte Nacht mit einem anderen Wanderer im selben Zimmer schlafen müssen, dessen Klamotten so schlimm gestunken hatten, dass ich beim ersten Betreten des Zimmers beinahe hätte brechen müssen. Das tat mir für ihn ziemlich leid, aber ich tat mir selber fast noch mehr leid. Ein paar Stunden Lüften halfen ein wenig, aber wirklich weg bekam man den Geruch nicht. 

Die vielen Umleitungen (es waren 2 oder 3 Stellen an diesem Wandertag), das Trinkwasserproblem und die schlecht geschlafene Nacht machten diesen Tag tatsächlich zu meinem wenig liebsten Wandertag, so dass ich es durchaus feierte diesen nun mit einer Dusche und einem richtigen Bett beenden zu können. Meine Eltern freuten sich auch mich wieder da zu haben und so planten wir ein wenig die nächsten Tage. Wir würden nämlich einen Teil der nächsten Etappe zusammen begehen.

An diesem Tag hatte ich etwas über 17 km mit 590 Höhenmetern in etwa 6,5 Stunden zurückgelegt (Komoot), gegen 14 Uhr den Bus zurück in die Zivilisation genommen und somit fast den ganzen Forststeig hinter mir. Da ich den Rest als Tagesetappen wandern würde, war meine Fernwanderung mit Übernachten schon vorbei. Das ging schnell, ich war mental noch gar nicht bereit davon Abschied zu nehmen. Meine Wanderfreunde würde ich auch nicht mehr treffen, denn für sie war heute tatsächlich der letzte Tag gewesen, denn sie hatten keine Zelte dabei und von Anfang an geplant hier auszusteigen. 

Mareike

35 Jahre, aus der Nähe von Bremen.

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