Zweitagestour mit Übernachtung am Lac Blanc

Wanderung und Klettersteig über dem Tal von Chamonix

Ein Wanderwochenende in den Alpen: Mit etwa 10 km Strecke und insgesamt 1300 Höhenmetern brauchten wir etwa 3 Stunden am ersten Tag, um zum Lac Blanc (auf 2350 m Höhe) zu gelangen. Dort verbrachten wir eine eisige Nacht mit traumhaften Aussichten auf die Berge und deren Spiegelung im See, um am nächsten Tag mit einem Umweg wieder ins Tal hinabzusteigen. Wir nahmen noch einen Klettersteig mit und bogen dann auf dem Rückweg einmal falsch ab, so dass wir noch ein paar Kilometer dran hingen und knapp 15 km machten.


Der Oktober bescherte uns in den französischen Alpen dieses Jahr einen sonnigen und warmen goldenen Herbstanfang. Tagsüber gingen die Temperaturen in der Sonne bis auf über 20 Grad hoch, so dass sogar noch kurze Klamotten getragen werden konnten, in der Nacht fiel die Temperatur dafür schon teilweise bis in den Minusbereich. An dem einzigen Regentag, den wir hier hatten, fiel oberhalb von 2000 m Schnee, der sich auch noch einige Tage dort hielt.

Trotz der kalten Nächte beschlossen wir eine zweitägige Wanderung zu unternehmen. Dafür packten wir an einem Samstag Mitte Oktober unsere Rucksäcke mit warmen Klamotten, Schlafsachen und Zelt und machten uns auf den langen Weg hinauf in die Berge. Da momentan Nebensaison ist, fuhr der Flégère-Lift nicht, so dass wir von ganz unten starten mussten – auf knapp über 1000 m Höhe ging es los.

Durch den sommerlich duftenden Wald ging es zunächst recht steil bergauf. Die schwer bepackten Rucksäcke halfen da auch nicht, so dass jeder Schritt anstrengend war. Immerhin war es angenehm schattig zwischen den Bäumen, auch wenn die goldene Nachmittagssonne immer wieder ihre Strahlen durch das lichter werdende Blätterdach schickte. Gelegentlich erhaschten wir einen Blick auf die immer schöneren Aussichten neben uns, denn je höher wir kamen, desto näher erschienen die schneebedeckten Gipfel auf der anderen Talseite.

Im unteren Bereich waren einige Familien unterwegs, die den schönen Tag zu einem Ausflug nach ‚La Floria‘ nutzten, ein süßes Café mitten im Wald mit träumerischen Ausblicken über das Tal. Wir gingen jedoch direkt weiter, denn wir hatten noch einiges vor uns. Nach etwa 1,5 Stunden öffnete sich langsam der Wald zu einer etwas steinigeren Fläche und wir stiegen die letzten Meter zur Flégère-Station auf einer Skipiste auf: Mein persönlicher Horror, denn die Kiesel und losen Steine geben besonders auf der recht steilen Strecke nie guten Halt für die Füße. Endlich an der Station und der für den Winter geschlossenen Hütte angekommen, machten wir eine kleine Pause und genossen den Blick ins Tal.

Frau am Skilift bei Chamonix
Eine wohlverdiente Pause am Flégère-Lift: Chamonix im Tal

Wir dachten das schlimmste wäre geschafft und folgten motiviert dem Schild in Richtung Lac Blanc. Dieser Wegweiser direkt an der Hütte entpuppte sich als der einzige Hinweis auf die generelle Richtung des Sees, so dass wir mit GPS und unserem Kartenmaterial nach dem Weg suchen mussten. Von Flégère führen mehrere Wanderwege und Skipisten in die Berge, so dass wir hofften den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

Nun wurde es einsam. Die Sonne neigte sich langsam den Bergen im Westen entgegen und so begegneten wir nur noch 2 bis 3 anderen Wanderern. Die Landschaft hatte sich stark verändert, wir waren nun oberhalb der Baumgrenze, so dass der Bewuchs hier aus Gräsern, Heide und struppigen Büschen bestand. Es war karg und wurde immer felsiger je höher wir uns den Pfad hinauf kämpften. Denn noch lagen etwa 300 Höhenmeter vor uns.

Wir wollten noch vor der Dunkelheit am See ankommen und unser Zelt aufbauen, so dass wir keine Pause mehr machten und ich langsam bei jeder Kurve und jedem Erklimmen einer Erhöhung hoffte, dass dahinter das Ziel liegen würde. Wir kamen an ein paar winzigen Seen vorbei, die still und verlassen in kleinen Senken am Berghang lagen, dann ging es weiter die natürlichen, steinigen und unregelmäßigen Stufen hinauf. Hätten wir mehr Zeit eingeplant, hätte ich diesen Teil der Wanderung vermutlich etwas mehr genossen, so wollte ich nur noch ankommen. Wir hatten die Länge der Strecke bis zum See unterschätzt.

Als ich dann eine Pause machen musste, weil der Rucksack einfach zu schwer war und ich auch mal auf Klo musste, ging meine Wanderbegleitung Mark schon vor und rief mir die ersehnten Worte von oben zu: Wir waren endlich da. Nur noch ein letzter Aufstieg und dann lag der See unter mir in einer Senke.

Am Lac Blanc, der auf ca. 2350 m Höhe im Naturschutzgebiet ‚Réserve naturelle des Aiguilles Rouges‘ – wie sich die Bergkette dort nennt – liegt, waren noch eine Hand voll anderer Wanderer, die dort ebenfalls die Nacht verbringen wollten. In der Hauptsaison ist dort eine Hütte in Betrieb, die aber nun geschlossen war. Normalerweise ist das Campen direkt am See auch nicht gestattet, in der Nebensaison ist es jedoch okay, wenn man spät das Zelt aufbaut und es am nächsten Morgen früh wieder abbaut – und natürlich keine Spuren hinterlässt.

Wir suchten uns also am Rande des Ufers ein einigermaßen ebenes Plätzchen, wo wir im eisigen Schatten der Berge Mühe hatten die Heringe in den steinigen Boden zu bekommen. Außerdem lenkte auch die Aussicht ab, denn die Bergspitzen auf der anderen Seite des Tals spiegelten sich perfekt im ruhigen Wasser des Sees. Direkt vor uns ragte die über 4000 m hohe Aiguille Verte in den Himmel, direkt daneben die Nordflanke des Dru, und im Hintergrund rechts daneben die Grand Jorasses (auch ein 4000er). Mit dem Petit Dru zusammen lagen so zwei der „großen Nordwände der Alpen“ direkt vor unseren Augen. Was für ein Anblick!

Spiegelung von Bergen im Lac Blanc
Den Ausblick geniessen…

Die untergehende Sonne schickte die unglaublichsten Rottöne an die Bergflanken, so dass sich das Farbspiel minütlich änderte und ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus kam. Der Mond ging hinter den Bergen auf und ich hätte nicht mal verwundert geschaut, wenn noch ein Drache feuerspeiend über den dunkler werdenden Himmel gezogen wäre. Es war eine Gegend wie aus einer anderen Welt.

Mit der untergehenden Sonne kam jedoch auch die Kälte und so hatten wir möglichst schnell trockene und warme Klamotten angezogen, auch wenn mich das nicht vom Zittern abhielt. Neben uns im Schatten eines größeren Felsens lag Schnee und es war klar, dass es in der Nacht noch kälter werden würde. Mark opferte sich und kochte uns Seewasser für das Abendessen und ich verkroch mich schon mal in den warmen Schlafsack. Mit dem warmen Essen im Magen und einer Flasche heißen Wassers im Schoß wurde es langsam angenehm warm.

Die Nacht war kurz und Schlaf kam wenig, aber wir waren immerhin ausgeruht. Mark hatte die Höhe gemerkt und mir war entweder zu warm oder kalt gewesen. Morgens hatte sich das Kondenswasser im Innenzelt in kleine Eiströpfchen verwandelt und das Außenzelt war von innen von einer dünnen Eisschicht bedeckt. Das gute war jedoch, dass hier oben mit Blick in Richtung Osten die Sonne als erstes ihre Strahlen hinschickt, Stunden bevor sie unten im Tal in Chamonix ankommt. Somit wärmte sich die Luft schon in unseren ersten Minuten des Rückwegs langsam auf und nach etwa 20 Minuten zog ich meine Handschuhe aus. Es wurde eine schöne, morgendlich ruhige Wanderung durch die wunderbare Landschaft, die ich am Tag zuvor nicht richtig hatte genießen können. Das trockene Gras verwandelte die Gegend in eine sanft leuchtende Hügellandschaft und ein recht neuer Holzweg führte über etwas sumpfigeren Boden und ermöglichte uns noch ein paar weitere tolle Blicke auf die Bergkette der Alpen.

Zurück am Flégère-Lift versteckten wir unsere großen Rucksäcke und machten uns mit wenig Gepäck auf den Weg zur Via Ferrata des Evettes. Wir hatten diese letztes Jahr schon zweimal gemacht, daher wussten wir was uns erwarten würde, aber einige Überhangstellen waren doch anstrengender als wir vermutet hatten. Wir kamen trotzdem deutlich schneller durch als die angegebenen 1,5 Stunden, die man für die 150 Höhenmeter brauchen sollte. Auf der Internetseite sind sogar 3-4 Stunden angegeben für die Rundtour über den Klettersteig zurück zum Lift, aber das ist vermutlich nur realistisch, wenn man mit Kindern unterwegs ist oder keinerlei Erfahrung in den Bergen hat.

Pinienwälder und Felsen – alles vor dem Panorama des Mont Blancs: Diesen Klettersteig kann ich uneingeschränkt weiterempfehlen! Am Ende geht es noch über eine 50m lange Seilbrücke und dann muss man ein bisschen aufpassen, damit man sich auf der Strecke zurück zum nächsten Weg nicht in der Steinwüste verläuft – Ausschau nach den grünen Punkten auf Felsen und grünen Stangen zwischen diesen halten. Dann ist man auch in schnellen 20 Minuten zurück am Lift.

Wir hatten mittlerweile unsere letzten Schlucke Wasser getrunken und feststellen müssen, dass Wasser hier oben rar war. Also hielten wir uns nicht weiter auf, sondern packten die großen Rucksäcke wieder und machten uns auf den Weg nach unten. Wieder hinein in den Wald und hinab ins Tal.

Als wir am ‚Petit Balcon Sud‘ ankamen – einem wunderbaren Wanderweg, der sich an der gesamten Flanke des Tals auf etwa 200 bis 300 Höhenmeter über dem Talboden langzieht – ankamen, bogen wir leider irgendwo falsch ab, so dass wir einen 2 bis 3 Kilometer langen Umweg machten. Und das obwohl mir meine Füße schon unglaublich weh taten und ich einfach nur unten ankommen wollte. Pech gehabt. Ich hatte mir einen Wanderstock mitgenommen, den ich auf dem Rückweg eifrig genutzt hatte und auf den ich mich nun immer stärker lehnte, so dass ich am nächsten Tag auch an den Händen Blasen hatte und Muskelkater nicht nur in den Beinen. 😀 Das ist doch auch schön.

Theoretisch kann man die Wanderung (am besten ohne Klettersteig) auch an einem Tag machen, aber wenn man nicht im Dunklen durch die Berge wandern möchte (nicht zu empfehlen), dann verpasst man so das Farbenspiel der untergehenden Sonne. Alles in allem war diese Wanderung aber jede Blase und jeden Muskelkater wert, denn den Sonnenuntergang so am Lac Blanc zu erleben war einfach magisch.

Mareike

35 Jahre, aus der Nähe von Bremen.

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