Fernwanderweg Forststeig – Etappe 3

Ostrov bis Schweizermühle

Auf dem etwa 105 km langen Forststeig verlasse ich nun die Gebiete der Tschechischen Republik und werde den Rest in Deutschland wandern. An meinem ersten Tag auf der Wanderroute ging ich von Schöna an der Elbe bis hinein in die dicht bewaldete Grenzregion; an meinem zweiten Tag lief ich bis zum Campingplatz in Ostrov.


In Ostrov hatte ich eine weitere Nacht mit wenig Schlaf, diesmal jedoch wegen der stundenlangen Gewitter. Selbst wenn mich das explodierende Tal (ich hatte wirklich das Gefühl, dass der Donner um mich herum war und nicht von oben kam) lautstärke-mäßig nicht gestört hätte, wäre es die Angst gewesen, gleich wegzuschwimmen. Ich hörte nicht nur die Tropfen auf dem Zelt, das schon unangenehm durchhing, da ich es nur halbherzig festgemacht hatte… sondern auch das Wasser über den Boden fließen. Es regnete bis in die Morgenstunden. Erstaunlicherweise blieb ich jedoch trocken und kein Stück meiner Ausrüstung wurde nass. Ich sah das als ein gutes Omen für den Tag und machte mich nicht zu früh morgens langsam fertig. Das Zelt musste natürlich klitschnass eingepackt werden, aber da konnte ich nichts machen.

Guten Morgen… 🙂

Ziemlich genau um 9 Uhr startete ich meinen 3. Wandertag in trockenen Schuhen und mit aufgefüllten Wasserflaschen. Es sollte wieder ein recht kurzer Tag von nur 14 km werden, aber etwas weiter zu gehen machte nicht wirklich Sinn, da die nächste Schlafmöglichkeit ein Bivakplatz 10 km weiter war.

Die Gewitter der Nacht hatten sich verzogen und die Luft war frisch und sehr klar. Ich zog meine Jacke über, da es doch noch recht kühl war und so ging es direkt hinein in den Wald in südlicher Richtung aus Ostrov raus. Man musste also nicht mehr zurück auf die Straßen, die mich am Tag zuvor in das Dorf geführt hatten. Grobe Richtung ging es nun hinunter nach Tisá, wo man noch einen Abstecher in ein Gebiet mit schönen Sandsteintürmen (Tyssaer Wände) machen kann, denen alle Namen nach ihren Formen gegeben worden waren. Ich war noch während ich auf dem Weg dorthin war, unsicher, ob ich diesen Abstecher mitnehmen wollte. 

Ich war jedoch kaum eine Viertelstunde gelaufen als ich in das südliche Felsengebiet kam, das Ostrov umgibt und war begeistert. Eine alte Steinstraße, deren große Blöcke schon seit längerem mit der Natur kämpfen und langsam verlieren, führte hoch in diese Felsenstadt. Dass es ein beliebtes Klettergebiet ist, zeigte mir der Kletterschuh, der verlassen auf einem Felsen lag. Vor einer Holztreppe hinauf auf einen größeren Felsen stand ein Schild mit den gängigen Regeln im Sandsteingebirge: Klettern ist auf nassen Felsen verboten, kein Chalk darf benutzt werden und natürlich soll man die Natur achten. Ich schaute mich oben ein wenig um und erfreute mich an dem guten Ausblick. Junge Birken standen zwischen den Felsen und der blaue Himmel zeigte sich langsam hinter den bauschigen Wolken.

Als ich aus diesem Felsengewirr wieder herausfand, beschloss ich, dass ich den Besuch in Tisá nicht machen würde und folgte dem Weg in einem steilen Knick nun wieder grob nach Norden und in Richtung Deutscher Grenze, die jedoch noch knapp eine Stunde entfernt war. Der Weg hier folgte breiten Forstwegen durch den Wald und ich hoffte auf schönere Wege in der Natur, wenn ich wieder in Deutschland war. Es ging schnurgerade durch gleichbleibenden Wald mit nun plötzlich wieder sehr grauem Himmel. Einmal kurz sah es nach Regen aus und der Wind fritsche auf, aber dann wurde es mit jeder Minute besser bis die Sonne wieder hervorkam. Ich aß einen Apfel im Gehen und ging entspannt vorwärts.

Als ich dann die Grenze erreichte, ging es auch direkt wieder auf einen einspurigen halb überwucherten Pfad, den ich vielleicht übersehen hätte, wenn nicht vor mir die zwei Wanderer aus der S-Bahn vom ersten Tag gerade dort im Gebüsch verschwunden wären. Und tatsächlich, an dieser Wegkreuzung gab es noch einen 5. Pfad, zu dem sogar ein kleines Hinweisschild hinzeigte. Das Gras war noch feucht, aber da nun direkt vor mir zwei andere Beine durch das Gestrüpp liefen, wurden meine Beine und Schuhe kaum nass. Praktisch. 

Die Grenze verlief hier noch kurze Zeit im Tal, doch schon nach wenigen Minuten ging es plötzlich bergauf. Ich holte die beiden vor mir ein und sie ließen mich vorbei. Die Gräser wurden von Farnen abgelöst und ich kam wieder in einen kleinen Wald, der sich am Rande einer von Felstürmen bewachten steilen Klippe befand. Felsen bildeten Türme, Guckaugen und Aussichtsplattformen, von denen ich so einige erkundete. Eine kurze Pause machte ich hier auch, denn die Gegend war wirklich schön und wild. Von den Felsen konnte ich Felder unter mir sehen, hier war noch ein letztes winziges Dorf auf tschechischer Seite.

Der Weg führte nun langsam hinunter durch den Wald, der immer wieder wie ein altes Schlachtfeld von Riesen anmutete mit den hingeworfenen Felsen links, recht und mitten auf dem Weg. Im Slalom wand sich der Pfad erst durch die bemoosten Felsen und dann durch die Bäume auf weichem Waldboden. 

Nach etwa 8 km und etwa 2,5 Stunden erreichte ich meine erste Sidequest für heute: den Gipfel des Zeisigsteins (551m). Eine Treppe führte einen hinauf auf den kleinen Aussichtspunkt inklusive Gipfelbuch, in dem ich mich natürlich verewigte. Es gab ein kleines Infoschild, das die Entstehung des Elbsandsteingebirges beschrieb:

Der Quadersandstein besteht aus Ablagerungen eines flachen Kreidemeeres, das vor etwa 100 Millionen Jahren (Kreidezeit) unsere Heimat bedeckte. Kalk, Ton und Druck verfestigten den Sand zu Stein. Im Tertiär wurde die Steinplatte durch tektonische Bewegungen (Aufschieben des Lausitzer Granites und das Heben des Erzgebirges) langsam angehoben, das Meer wich zurück, und die Flüsse schnitten sich ein. Es entstand das etwa 40 km lange Durchbruchstal der Elbe zwischen Děčín und Pirna. Die härteren Teile der Sandsteintafel widerstanden der Verwitterung. Sie bilden die heutigen Tafelberge, Steine genannt.“

Es ging nun durch weitere Wälder immer grobe Richtung Norden. Ich genoss diesen Teil sehr, es war kaum etwas los und ich konnte laufen, meinen Gedanken nachhängen und einfach den Blick von Baum zu Baum schweifen lassen, ohne dass ich von der Natur abgelenkt war. Bei den tollen Felsformationen, an denen ich die Stunden davor entlang gekommen war, habe ich immer das Bedürfnis, alles zu sehen und zu bewundern. Es faszinierte mich und ich war jedes Mal wieder begeistert, aber hier durch den Wald zu wandern, war fast wie Meditieren. 

Irgendwann informierte mich ein kleines Schild über einen weiteren Aussichtspunkt, den ich natürlich auch noch mitnahm: den Hartenstein. Auch hier gab es ein Gipfelbuch, auch wenn ich keinen einzigen Schritt dafür hochlaufen musste. Natürlich trug ich mich ein. 

Im Fels war eine verblasste Inschrift aus dem Jahre 1868, die ich nicht wirklich lesen konnte, aber ein netter Mensch hatte eine Abschrift des Textes in den Kasten mit dem Gipfelbuch gelegt, so dass ich nicht dumm sterben musste. Es war der liebste Ruheplatz eines verstorbenen Försters gewesen und ich konnte verstehen, wieso, denn es war schön ruhig hier oben, der Wald irgendwie wild, doch unten lagen Dörfer im Tal, auf die man von hier blicken konnte. Als ich aus dem Wald herausgetreten war, hatte ein großer Vogel die Flucht ergriffen und war mit schweren Flügelschlägen weggeflogen. Es sah nicht so aus, als kämen hier viele Menschen vorbei.

Der Weg bog nun nach Osten ab, wobei es weiter durch unterschiedliche Wälder ging, mal auf breiteren, mal auf schmaleren Wegen. Auf einer Picknickbank, die gerade so noch halb in der Sonne lag, machte ich meine Mittagspause, bevor ich mich an den letzten Abschnitt zur nächsten Hütte machte. Der Weg führte oberhalb des Dorfes Schweizermühle entlang und kurz vor meinem Ziel erreichte ich meine liebste Sidequest der ganzen Wanderung: den Sachsenstein. Ein sehr hoher, sehr steiler, alleinstehender Sandsteinfelsen. Und irgendjemand hatte beschlossen, dass man dort eine Leiter hinauf bauen muss. Ich setzte den Rucksack ab und ließ ihn unten stehen, denn schon mit Tagesrucksäcken kann man bei den engen Stellen zwischen den Felsen Schwierigkeiten bekommen. Also hoch geht’s.

Nach einem Drittel ließ ich eine Familie auf dem Weg nach unten vorbei und dann ging es weiter. Nichts für Menschen mit Höhenangst, man sieht eindrucksvoll, wie gut man hier sehr weit nach unten fallen könnte. Aber es machte Spaß, sich noch einmal durch den letzten Spalt zu drücken und dann nach einer weiteren Leiter oben auf der Aussichtsplattform zu stehen.

Als ich hinunter stieg, kam mir eine andere Familie entgegen, von denen aber die Hälfte wieder umdrehte und hinunter stieg, bevor sie halb oben waren – die Höhe und Steilheit waren echt nicht zu unterschätzen. 

Kaum hatte ich den Rucksack wieder auf und war den steilen Weg zurück zum Forststeig zurückgelaufen, da war die Wanderung eigentlich auch schon zu ende, denn hinter der nächsten Biegung befand sich die Kamphütte, mein Lager für die Nacht. Es war erst kurz nach 14 Uhr und ich somit die erste an dieser Trekkinghütte. Ein Forstmitarbeiter war dort und überprüfte die Hütte und Toilette und so hängte ich erstmal mein Zelt zum Trocknen über eine Wäscheleine neben dem Weg. Praktischerweise dort, wo die Sonne am längsten hinreichen würde.

Beim Erkunden der Hütte sah ich, dass sie anders aufgebaut war als die Hütte der ersten Nacht. Es gab unten 2 Räume mit unterschiedlicher Bettenanzahl (ja, es gab Betten, so dass man nicht auf dem Boden schlafen musste) und der Dachboden war eine einzige große Fläche. Ich nahm mir den kleinen Zweierraum und hatte das Glück auch diese Nacht alleine zu schlafen. Nach mir kamen die drei Wanderer aus der ersten Hütte und an diesem Abend würden wir viel Zeit zusammen verbringen, denn es gab nur 2 Picknicktische draußen und den einen würde eine Schulklasse belegen, die hergewandert war und nun die Nacht hier verbringen würde. Wie cool! Es wurde voll, denn nun kam auch noch das Paar, das ich vor einigen Stunden überholt hatte, hier an und noch eine kleine Gruppe, die in die andere Richtung unterwegs war.

Ein Zettel im Gemeinschaftsraum informierte einen, dass die nächste Quelle etwa 15 Minuten entfernt unten in Schweizermühle war und so machte ich noch einen kleinen Ausflug, um mir neues Wasser für den Rest des Nachmittags und den Abend zu holen. Wie im Mittelalter, einfach 30 Minuten unterwegs sein, um abends nicht zu verdursten.

Die Gruppe mit den 3 Wanderern bestand aus einem jüngeren Paar (glaube ich, oder Freunden) und dem Vater der Frau. Sie hatten schon seit Jahren vorgehabt den Forststeig zu wandern und tatsächlich noch ältere Karten dabei, auf denen einige Hütten und Bivakplätze nicht verzeichnet waren, weil sie wahrscheinlich erst danach eröffnet worden waren. Sie hatten keine Zelte dabei, denn sogar in Ostrov hatten sie sich eine Hütte gemietet (es gibt auch ein paar Zimmer im Haus über dem Restaurant) und die letzte Etappe würden sie nicht wandern, da sie diese Gegend schon gut kannten durch Tagesausflüge aus Dresden. Besonders spannend fand ich die Essensrationen und ließ mir aufzählen, was sie alles pro Tag und Person dabei hatten: Es waren 750g pro Tag und Person.

Langsam wurde es kühler draußen, das Zelt war trocken und wieder eingepackt und mein Handy und Uhr wieder aufgeladen für den nächsten Tag und so machte ich mich fertig für die kälteste Nacht der Wanderung mit Tiefsttemperaturen von 12 Grad. Ich war sehr froh, nicht draußen im Zelt schlafen zu müssen, kuschelte mich ein und las noch mein Buch, bevor ich müde genug zum Schlafen war.

An diesem dritten Wandertag machte ich 15,5 plus 2 Kilometer (Wasserholen) in etwa 4 Stunden und über einer Stunde zusätzlich an Pausenzeit (Komoot). Und hier noch ein paar letzte Fotos der wieder wunderschönen Wanderung:

Mareike

35 Jahre, aus der Nähe von Bremen.

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