An der Grenze entlang bis nach Ostrov
Der Forststeig ist ein etwa 105 km langer Wanderweg, der durch die Wälder Sachsens und die grenznahen Gebiete der Tschechischen Republik führt. An meinem ersten Tag auf der Wanderroute ging ich von Schöna an der Elbe bis hinein in die dicht bewaldete Grenzregion, wo ich in einer Trekkinghütte übernachtete.
Mit dem heller werdenden Licht des neuen Tages wurde ich langsam munter. Ich hatte nicht wirklich gut geschlafen: ein Bett ist einfach bequemer, normalerweise gehe ich später ins Bett, es war eine ungewohnte Umgebung, meine Matratze knarrte unheimlich laut bei jeder Bewegung und irgendwann mitten in der Nacht war ich noch davon geweckt worden, dass jemand in mein Zimmer kam. Ich hatte mich ziemlich gewundert, dass einer der anderen 3 sich in der Tür vertan hatte, denn es gab nur zwei Türen und eine war eine Schiebetür… und stellte dann morgens fest, dass um die Uhrzeit noch zwei weitere Wanderer angekommen waren. Eine Nachtwanderung? Kurios.
Die heutige Etappe würde mit nur etwa 16 km recht kurz werden und es gab auch keine Abstecher, die man einbauen konnte, und so sah ich dem Tag entspannt entgegen. Es würde vollständig durch die Tschechische Republik und erst am darauffolgenden Tag zurück nach Deutschland gehen, somit war die ungefähre Wanderrichtung heute Südwesten.
Ich startete nach dem Zähneputzen ohne Frühstück, da ich gerne erst ein wenig laufe, bevor ich mich zum Frühstücken hinsetze. Also ging es auf direktem Weg zurück zum gelb markierten Forststeig an der Grenze. Dort gab es auch ein paar Bäche und Quellen, so dass ich kurz vor dem Taubenteichbiwak mein Trinkwasser für den Tag auffüllen konnte. Es wird empfohlen, bei dieser Wanderung einen Filter dabei zu haben, denn der Forststeig führt hauptsächlich abseits von Siedlungen durch die Wälder, so dass es schwer wird, Wasser zu kaufen oder die Flaschen mit Leitungswasser auffüllen zu lassen.
Etwa eine Stunde folgte ich der Grenze durch die einsamen Wälder. Ich hörte Vögel zwitschern, sah sie jedoch selten. Ich verlor jegliches Gefühl von Zivilisation, es kam mir nicht so vor, als wären irgendwelche Menschen in einem Umkreis von mindestens 30 km. Der Pfad war schmal und es gab kaum abzweigende oder größere Wege, die ihn kreuzten. Es war unendlich friedlich. Auf dem Pfad lag auf einem kurzen Abschnitt in regelmäßigen Abständen Tierkot und ich fragte mich, ob dies eine Reviermarkierung für eine Wildkatze war. Natürlich sah ich keines der scheuen, nachtaktiven Tiere.
Dann jedoch bog der Weg nach Süden ab, weg von der Grenze. Diesmal sah ich deutliche Tierspuren im feuchten Boden und fragte mich, ob hier ein Wolf entlang gekommen war. Da ich jedoch plötzlich 5 Minuten später an einem großen, einsamen Anwesen (Kristin Hrádek) ankam, war es wohl vermutlich ein Hund gewesen. Ein Hotel und Restaurant mitten im Nirgendwo, denn weit und breit war kein Dorf in der Nähe. Der Weg führte mich einmal um das bebaute Gelände herum und dann wieder in den Wald hinein, der zwischen Nadelbäumen und Birken wechselte. Mittlerweile war es warm geworden und am Himmel zeigte sich kein einziges Wölkchen. Der Pfad war saftig grün und es sah aus wie in einem Märchenwald.
Hier in Tschechien war der Forststeig nicht mehr mit gelben Strichen markiert, sondern bediente sich schon vorhandenen ausgewiesenen Wanderwegen, so dass man immer wieder einer unterschiedlichen Wegmarkierung folgen musste. Mal einer grün-weißen Fahne, dann rot-weiß und auch mal gelb-weiß. Ich fand dies einigermaßen unübersichtlich und schaute oft auf meinem Handy nach, ob ich noch richtig war. Es gab zwar etwas mehr Wegweiser an Wegkreuzungen, aber eine durchgängig einheitliche Markierung hätte mir mehr geholfen.
Unerwartet kam ich nach etwa 2 Stunden aus dem Wald an eine große Straße, wo sich auch ein Wanderparkplatz befand und ich traf die ersten Menschen heute. Eine Pilzsammlerin sprach mich nach einem freundlichen Dobry Den auf tschechisch an, was leider außerhalb meiner Fähigkeiten lag, aber sie konnte auch englisch. Später lernte ich, dass Hallo auf Tschechisch Ahoj heißt und konnte nicht glauben, dass ich mich die ganze Zeit mit Dobry Den abgemüht hatte. Ein knackiger Anstieg brachte mich wieder weg von der Straße und dem Parkplatz.
Nach etwa 8 km und somit ziemlich genau zur Hälfte der Wanderung, erreichte ich eine Picknick-Hütte mitten im Wald, wo sich mehrere Wanderwege trafen. Hier machte ich eine größere Pause, zog meine Schuhe und Socken aus und legte sie in die Sonne, denn das feuchte Gras hatte diese sogar noch schlimmer durchnässt als am Tag zuvor. Ich hatte Angst, dass meine Zehen Schwimmhäute bildeten, wenn ich die nassen Socken noch weiter trug, so dass ich dort mein Ersatzpaar herauskramte. Während ich meine Snacks aß und Wasser trank, schaute ich mir den nächsten Abschnitt des Forststeiges an und sah, dass ich mich am Fuße des Großen Schneeberges (Děčínský Sněžník) befand, dem mit 722 m höchsten Berg des Elbsandsteingebirges.
Gestärkt und mit frischen Socken machte ich mich auf den Weg. Schon wenige Minuten später kam ich aus dem Wald heraus an den felsigen und teilweise sandigen Aufstieg, der oft in der Sonne lag. Heidekraut und jüngere Bäume wuchsen rechts und links vom Weg und ich jagte endlich mal meinen Puls ein wenig in die Höhe. Etwa 150 Höhenmeter ging es hier hinauf bis zum Plateau des Tafelberges. Da dort die Sandsteinfelsen steil abfielen, hatte man immer wieder wunderbare Aussichten in Richtung Süden. Hier waren auch deutlich mehr Wanderer unterwegs, ich traf Familien und Gruppen mit Crashpads, die zum Bouldern auf den Berg gestiegen waren. Die warme Sonne, die leichte Brise, das Summen der Insekten und die Natürlichkeit verbreiteten eine Gelassenheit wie von einem Sommertag im Stadtpark. Es war Mittagszeit und Leute setzten sich zum Picknick auf die warmen Felsen.
Ich folgte der Linie des Kliffs neben mir und kam überrascht vor einem großen dunklen Felsblock zum Stehen. Dahinter erhob sich ein hübscher, steinerner Aussichtsturm, an dessen Fuß sich ein Restaurant befand. Schon 1864 hatte man hier einen ersten Aussichtsturm gebaut. Natürlich war hier ziemlich viel los und ich überlegte auch noch einmal eine Pause einzulegen und mir vielleicht ein kaltes Getränk zu gönnen, beschloss dann jedoch weiterzugehen.
Auf der anderen Seite des Berges führte eine geteerte Straße hinauf, an deren Ende sich ein Parkplatz und ein kleines Hotel befanden. Da ich diesem Weg einige Zeit folgen musste, beschloss ich, in meine Sandalen zu wechseln, denn es war ziemlich warm hier oben. Eine super Entscheidung, meine Füße dankten es mir. Ich überquerte unten die Hauptstraße, an der auch Busse fuhren, und musste ein kleines Stück an einer Landstraße entlang gehen – das erste Mal auf dem Forststeig, dass ich einen Weg mit Autos teilen musste. Schon nach kurzer Zeit bog der Weg jedoch rechts ab und ich wanderte auf einem schmaleren Schotterweg weiter. Zwar auch nicht zu vergleichen mit dem überwachsenen Wildpfad an der Grenze, aber besser als Straße.
Ich erwartete keine Highlights mehr, denn ich war kurz davor in das erste Dorf dieser Wanderung zu kommen: Ostrov, der Abzweig. Doch dieses vergessene Dorf kurz vor der Grenze ist auf allen Seiten von Sandsteinfelsen umgeben, so dass ich plötzlich durch einen Wald mit Felstürmen stiefelte und links und rechts immer neue Formen entdeckte, die aus dem Grün herausragten. An einem Felsen übte ein Mann mit ein paar Jugendlichen klettern, ich hörte noch weitere Stimmen im Wald. Ostrov ist ein kleines Kletter- und Boulderparadies, wie die ganze Region dort.
Plötzlich stand ich wieder auf einer geteerten Straße, die ins Dorf führte und folgte den letzten Schildern zum Autokemp Pod Císařem, wo hinter einem kleinen künstlichen See eine einladende Terrasse in der Sonne lag. Schirme waren aufgespannt gegen die Mittagsstrahlen und Kellner liefen mit Getränken umher. Da die Rezeption des Campingplatzes gerade Mittagspause hatte, beschloss ich auch etwas zu essen im Restaurant und setzte mich rein, da draußen keine Plätze mehr frei waren. Als erstes fragte ich, ob ich mit Karte zahlen könnte, denn ich hatte absolut nicht auf dem Schirm, dass es hier eine andere Währung geben könnte. Natürlich war das möglich und auch Euros nehmen sie an. Also bestellte ich und genoss dann das leckere und günstige Essen.
An der Rezeption bemerkte ich dann eine weitere Dummheit von mir: Ich war ohne Ausweisdokument über die Grenze gelaufen. Ich hatte weder Perso noch Reisepass dabei. Ups. Netterweise durfte ich trotzdem die 10 € für mein Zelt ausgeben und suchte mir einen abgelegenen Platz am Rande des Waldes, möglichst weit weg von den Toiletten. Meine erste Nacht im Zelt auf dieser Tour, die auch meine letzte werden sollte (Nacht im Zelt, nicht insgesamt).
Mir gefiel der Campingplatz, in der Mitte gab es einen Kreis mit Hütten, dann genug Platz für Autos, Wohnmobile und Camper und eher ruhige oder auch eher gesellige Stellen für Zelte. Die Duschen waren nur abends und morgens geöffnet und so musste ich ein wenig warten, aber sich mit warmem Wasser zu waschen war das Warten wert. Abends sang jemand mit Gitarrenbegleitung bei einem Lagerfeuer zwischen den Hütten, wie entspannt kann ein Abend ausklingen?
Ich war heute knapp 16 km in etwa 5 Stunden mit einem Aufstieg von ca. 430 m gegangen (Komoot) und somit noch ziemlich fit. Ich genoss den freien Nachmittag und freute mich auf den nächsten Wandertag.
Aber vorher kam noch die Nacht… Ich hatte ja im Blog über den ersten Tag geschrieben, dass es keinen Regen mehr geben sollte und das ist auch richtig: tagsüber. In dieser Nacht zogen mehrere Gewitter über die Region hinweg mit Starkregen als Begleitung. Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet und mein Zelt gar nicht richtig festgezurrt. Es war den ganzen Tag wolkenlos und warm gewesen, wo kam denn nun dieser Regen her? Immerhin wachte ich am Anfang des Gewitters auf (okay, das war schwer zu verschlafen) und konnte noch meine Schuhe retten, die draußen an einen Baum gelehnt trocknen sollten. Da ich bei Regen nicht herumlaufen und das Zelt neu binden wollte, hoffte ich einfach das Beste. Und ob ich am nächsten Tag trocken erwachte, erfahrt ihr im nächsten Teil.